Thematisch abgegrenzte Stadt- und Landschaftsführer sind auf dem Buchmarkt keine Neuerung mehr: Es gibt in großer Zahl seriöse Architektur-, Kunst- und Literaturführer, von denen geleitet man gezielt Städte und Regionen durchwandern kann.Jetzt hat ein Autor dieses Prinzip für Berlin-Brandenburg auf das Thema “Hugenotten” angewandt: er geht den in Stadt und Land nach dreihundert Jahren nachweisbaren Spuren des Wirkens der französisch-sprachigen Glaubensflüchtlinge nach und erweitert die Begegnung mit den noch heute vorhandenen um den Nachweis jener Spuren, die nicht mehr sichtbar, aber gut an ihrer Adresse auszumachen sind. So ist ein Wanderprogramm entstanden, das als Angebot zur Versenkung in einen besonderen Aspekt von heute häufig diskutierter Zuwanderungsproblematik zu verstehen ist. Auch ist der Untertitel wörtlich zu nehmen: mit diesem Buch in der Hand kann man sich in Klein- wie Großstädten orientieren, denn der Verfasser Werner Gahrig gibt genaue Routen an, um zum jeweils nächsten Besichtigungsort zu gelangen-
Neue wissenschaftiliche Erkenntnisse vermittelt Gahrig nicht: er wertet die nicht selten weit verstreute Literatur zu« Wirken von Hugenotten und Hugenottennachkommen in der Geschichtsregion Berlin-Brandenburg aus und gibt bei den so eruierten Fakten die jeweilige Quelle sofort im Text an – der Interessierte findet so leicht Zugang zu weiterer Information. Mit den vom Verfasser durch die Verknüpfung von lokalem Augenschein und Auswertung von Forschungsergebnissen gesetzten Maßstäben wird bei der Spurensuche ein ungewöhnliches Niveau erreicht: Gahrig vermittelt nicht bloss einfach Wissen – er liefert auch eine Fülle überzeugender Beiträge zu dem wieder aktuellen Problem des Nehmens und Gebens bei massenhafter Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen.
Er verhehlt nämlich nicht, dass sein Grundanliegen ist, dem Beitrag der Glaubensflüchtlinge, denen die kurfürstliche Regierung Asyl bot, bis in jene örtlichen Verästelungen zu folgen, die bei der rituellen Würdigung des “großen Ganzen” oft genug vergessen werden. So wird die Einführung von Chicoree und Blumenkohl in der Uckermark, die den fremden Zuwanderern zu verdanken ist, von schlichten Gemütern sicher nicht in eine gedankliche Verbindung mit dem Auftauchen des ersten Döner-Imbisses in – sagen wir z.B., um einen Ort zu nennen – Vierraden gebracht! Ganz zu Recht erinnert Gahrig auch daran, dass es angesichts der massiven Abwanderung der im Dreißigjährigen Krieg geschundenen und jeder Perspektive beraubten Bevölkerung des ländlichen Raumes eine Reihe von brandenburgischen Orten gar nicht mehr gäbe, wären diese nicht durch die fremdsprachigen Zuwanderer wieder aufgesiedelt worden.
Bei einem derart detailreichen Werk sind kleinere Fehler mit Milde zu übergehen. Aber die Verwechslung von Witwen-Kassen mit hfl i wen-Kasernen (S. 153) inuss dann doch kritisch angemerkt werden. Dr. Wernicke
Werner Gahrifff Hugenotten in Berlin und Brandenburg. Historische Spaziergänge. Das Heue Berlin 2005f 479 S., ISBH 5-560-01259-5
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