
Ein Jahr Cannabis-Freigabe: Was die Legalisierung in Berlin ändert
Lautes Jubeln und dichte Rauchschwaden am Brandenburger Tor – so feierten vor einem Jahr hunderte Berliner Kiffer den Start der Cannabis-Freigabe. Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit legal, bis zu drei Pflanzen dürfen zu Hause angebaut werden. Die Teil-Legalisierung markiert eine Zäsur nach jahrzehntelanger Debatte. CanDoc und ähnliche Plattformen erleichtern nun den Zugang zu medizinischem Cannabis, etwa über einen einfachen Online-Prozess für ein Cannabis Rezept Berlin. Während die Hauptstadt Bilanz zieht, rückt besonders die medizinische Nutzung in den Fokus.
Bereits vor der Gesetzesänderung hatten Befürworter in Berlin auf eine Freigabe gedrängt – etwa ein Kreuzberger Anwalt, der 2018 sogar gerichtlich die Legalisierung von Cannabis einforderte. Die Politik zeigte sich lange zögerlich. Seit April 2024 ist Kiffen für Volljährige nun erlaubt, doch was hat sich seither konkret verändert?
Bilanz nach einem Jahr Legalisierung
Ein Jahr nach der Cannabis-Freigabe sind die Veränderungen im Berliner Alltag überschaubar. „Vielleicht riecht es etwas häufiger nach Gras“, ansonsten bemerkt man auf Straßen und Plätzen kaum Unterschiede. Zur Erinnerung: Erwachsene dürfen 25 Gramm Cannabis mitführen und bis zu 50 Gramm Zuhause lagern. Außerdem ist seit Juni 2024 der gemeinschaftliche Anbau in Cannabis-Clubs erlaubt. In Berlin haben bisher fünf Vereine eine behördliche Anbaugenehmigung erhalten, weitere Anträge laufen. Der erste Club („Green Leaf Society“) verteilte im Januar seine erste Ernte an rund 100 Mitglieder – pro Person etwa 15 Gramm im Monat. Die neuen Vereine wollen auch gelegentliche Konsumenten ansprechen, etwa mit Preisen von 7 € pro Gramm, um mit dem Schwarzmarkt zu konkurrieren.
Auch privat machen Berliner vom neuen Gesetz Gebrauch. Der Eigenanbau zuhause ist zwar nicht meldepflichtig, doch Umfragen zeigen, dass seit der Legalisierung rund sieben Prozent der volljährigen Deutschen Cannabis-Samen für den Eigenanbau gekauft haben. Im letzten Frühjahr kam es zu Lieferengpässen bei Samenhändlern, so hoch war die Nachfrage. Nach dem anfänglichen Boom hat sich die Lage jedoch beruhigt, berichten Berliner Händler: Viele hätten es „einfach mal ausprobieren“ wollen; ein weiterer großer Ansturm bleibe aus.
Offene Fragen: Schwarzmarkt und Gesundheit
Trotz legaler Eigenproduktion ist der illegale Handel noch immer lebendig. Die Polizei schätzt, dass der Schwarzmarkt bisher nicht zurückgedrängt werden konnte – im Gegenteil, er floriert weiter. Ein Grund ist das nach wie vor begrenzte Angebot an legalem Cannabis aus Anbauvereinen. Viele Konsumenten greifen daher weiterhin zum Dealer ihres Vertrauens. Ein Berliner Dealer berichtet etwa, seine Kunden fänden staatlich angebautes Gras „viel zu schwach, weil es clean ist“. Die Folge: In einschlägigen Parks wie dem Görlitzer Park trifft man weiterhin auf regen illegalen Verkauf.
Polizei und Justiz verzeichnen dennoch deutliche Entlastung. Die Zahl der erfassten Drogendelikte in Berlin sank 2024 auf 14.446 – den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Verstöße im Zusammenhang mit Cannabis gingen von etwa 8.700 Fällen (2023) auf 1.227 Fälle zurück. Kleinstmengen, die früher als Straftat galten, tauchen nun nicht mehr in der Statistik auf. Allerdings machen Handel und Abgabe weiterhin den Großteil der registrierten Delikte aus. So wurden 2024 in Berlin rund 600 Fälle von verbotenem Verkauf erfasst. Die Behörden stellen zugleich deutlich mehr Cannabis sicher als zuvor – im ersten Jahr der Legalisierung waren es etwa 6 Tonnen Marihuana, verglichen mit 1,6 Tonnen im Vorjahr. Dies zeigt, dass kriminelle Strukturen nach wie vor aktiv sind.
Auch im Gesundheitsbereich gibt es gemischte Reaktionen. Suchtmediziner beobachten einen Anstieg des Konsums bei Risikogruppen. „Viele Patientinnen und Patienten, die sowieso schon betroffen sind, geben in den letzten Monaten eine Zunahme des Substanzkonsums an“, warnt ein Oberarzt der Berliner Charité. Psychiater fürchten daher mehr Cannabis-assoziierte Psychosen in Zukunft. Jugendschützer erinnern zudem daran, dass der Konsum für unter 18-Jährige strikt verboten bleibt. Schon 2017 hatte die Berliner Senatsverwaltung mit der Aufklärungskampagne „Zu breit?“ vor den Risiken des Kiffens gewarnt – und diese Präventionsarbeit bleibt weiterhin wichtig.
Medizinisches Cannabis weiterhin wichtig
Trotz legaler Freizeitmöglichkeiten bleibt Cannabis als Medikament ein wichtiger Pfeiler. Bundesweit werden derzeit über 80.000 Patienten mit medizinischem Cannabis behandelt – oft erfolgreich etwa bei chronischen Schmerzen oder Spastiken. In Berlin hat die Teil-Legalisierung das Thema aus der Tabuzone geholt. Viele Ärzte stehen dem offener gegenüber, zumal seit Oktober 2024 einige bürokratische Hürden gefallen sind: Hausärzte und viele Fachärzte müssen vor einer Erstverordnung von Cannabis keine Genehmigung der Krankenkasse mehr einholen. Das erleichtert Patienten den Zugang erheblich.
Gleichzeitig boomt ein neues Canna-Business: Cannabis auf Rezept per Mausklick. Online-Plattformen wie CanDoc oder „Canngo“ ermöglichen es, innerhalb von Minuten ein Rezept samt Lieferung nach Hause zu bekommen – oft ohne persönliches Arztgespräch. Für viele Patienten mit Leiden ist dies eine willkommene Erleichterung im Alltag. Allerdings beobachten Behörden das Geschäftsmodell genau, da es missbraucht werden könnte, um ohne echte Indikation an Medizinal-Hanf zu gelangen. Die Anbieter betonen hingegen, sie hielten sich an die gesetzlichen Vorgaben und böten eine Lücke im Versorgungssystem.
Insgesamt ziehen viele Beteiligte ein vorsichtig positives Fazit nach einem Jahr Cannabis-Freigabe. Die Entkriminalisierung zeigt Wirkung – Konsumenten werden nicht länger wegen kleiner Mengen bestraft, was Justiz und Polizei entlastet. Gleichzeitig bleibt Berlin wachsam: Die Behörden wollen den Schwarzmarkt konsequent bekämpfen und Jugendschutz gewährleisten. Für Patienten hat sich die Situation verbessert, doch Aufklärung über Risiken bleibt unerlässlich. Nach einem Jahr der neuen Drogenpolitik ist klar: Vieles hat sich geändert, doch Berlin tastet sich weiter pragmatisch an den kontrollierten Umgang mit Cannabis heran. Die Debatte über die richtige Balance zwischen Freiheit, Gesundheit und Sicherheit ist längst nicht beendet – aber sie wird nun auf Basis konkreter Erfahrungen geführt.
Weiterführende Informationen: Bereits vor der Freigabe forderten Experten die Entkriminalisierung – ein Berliner Anwalt verlangte die Legalisierung schon 2018. Zudem setzt Berlin weiterhin auf Prävention: Eine Aufklärungskampagne („Zu breit?“) informiert über Cannabis-Risiken speziell für Jugendliche.
Bild: wal_172619 via Pixabay
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