Jüdisches Leben in Berlin steht unter Vorbehalt, insbesondere in Neukölln. Wer sich als Jüdin oder Jude zu erkennen gibt, muss damit rechnen, als „Zionist“, wenn nicht gar als „Rassist“ beschimpft und für die Politik des Staates Israel mitverantwortlich gemacht zu werden. Weltoffenheit und Toleranz bedeuten im multikulturellen Neukölln, dass hier jede Farbe und jede Flagge, jedes Symbol willkommen ist – nur der Davidstern nicht. Man hat sich schlechterdings daran gewöhnt und es, wenn auch widerwillig, akzeptiert: Juden und Jüdinnen sollten sich lieber bedeckt halten. Dies erfuhren jüngst zwei Jüdinnen am Rande einer Kundgebung am Hermannplatz. Das Tragen einer Halskette reichte aus, um antisemitisch beleidigt und bedroht zu werden.
Bei jener Kundgebung von „Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung in Jerusalem“ im Mai dieses Jahres wurden Schlachtrufe wie „Kindermörder Israel“ und „Chaibar, Chaibar, oh Juden, die Armee Mohammeds wird wiederkehren“ skandiert (in Erinnerung an Mohammeds Feldzug gegen die Juden im heutigen Saudi-Arabien im Jahr 628). In dem antisemitischen Ressentiment, das einem in Neukölln begegnet, vermengt sich eine aus religiöser Überlieferung stammende Judenfeindschaft – und zwar des Islams, in dem diese Tradition noch heute eine zentrale Rolle spielt – mit modernem europäischen Antisemitismus, der ‘den Juden’ als Urheber aller Übel der Welt an den Pranger stellt. Diesen Zustand, der sich seit einigen Jahren als geradezu normal etabliert hat, wollen wir nicht länger hinnehmen: Jüdisches Leben ist keine Provokation, auch nicht in Neukölln!
Mit einer Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln wollen wir – das Bündnis gegen Antisemitismus Neukölln – unsere Stimme gegen Antisemitismus dort erheben, wo er uns alltäglich begegnet. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft wollen wir uns mit Jüdinnen und Juden solidarisch zeigen und die Politik ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zum Handeln auffordern: Antisemitismus, mag er auch im Gewand des Antirassismus oder der Friedensliebe auftreten, niemals und nirgendwo zu dulden und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Zu Wort kommen werden Leute unterschiedlicher Parteien und Verbände sowie Einzelne, die keiner Organisation angehören. Herzlich willkommen sind alle, die Antisemitismus in jedweder Form verurteilen und bereit sind, konsequent etwas dagegen zu tun.
Die Kundgebung beginnt am Sonntag, den 25. Juli, um 17 Uhr vor dem Rathaus Neukölln und wird etwa drei Stunden dauern. Neben den Redebeiträgen wird es auch ein Musikprogramm geben – hierzu bald detaillierte Informationen. Gerade nach den letzten Ausschreitungen rund um den Nakba-Tag erscheint es leider unerlässlich mit einem Sicherheitskonzept aufzuwarten. Hierfür haben wir ernsthafte Zusagen der Polizei und der Bezirksverwaltung Neukölln. Eine sichere An- und Abreise, sowie der sichere Aufenthalt sind gewährleistet!
Auch mit Hinsicht auf das Fortbestehen der COVID-19-Pandemie werden die bestehenden Maßnahmen befolgt – unter anderem ist dafür eine Teilnehmerzahl von 300 Personen angesetzt. Darauf bitten wir alle Teilnehmenden Rücksicht zu nehmen.
Redebeiträge werden erwartet von:
Yaki Lopez, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Botschaft des Staates Israel in Deutschland
Martin Hikel, Bezirksbürgermeister Neukölln
Sigmount A. Königsberg, Jüdische Gemeinde zu Berlin
André Wartmann, Antisemitismus-Beauftragter des Bezirksamtes Berlin-Lichtenberg
Ruben Gerczikow, European Union of Jewish Students (EUJS)
Jörg Rensmann, Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB)
Abdel-Hakim Ourghi, Professor für Islamische Theologie
Michaela Engelmeier, Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)
Volker Beck, MdB a.D. / Tikvah Institut gUG
Rebecca Schönenbach, Frauen für Freiheit
Fatma Keser, Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung
Kazem Moussavi, Green Party of Iran
Ben Salomo, Rapper / Jewish-Rights Activist
Bildnachweis: CC0 via pixabay.com
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