Nicht in Ordnung – so rein amtlich! Ein Kommentar zum Berliner Ordnungsamt

Nicht in Ordnung – so rein amtlich!

Ein Kommentar zum Berliner Ordnungsamt

Freihändig Radfahren – 5,- Euro, eine Bananenschale auf der Straße wegwerfen – 30,- Euro, Nacktjoggen oder laute obszöne Äußerungen auf der Straße – je 20,- Euro, einen Hund ohne (höchstens ein Meter lange) Leine auf dem Zuweg eines Wohnhauses führen – 35,- Euro, zu laut Walkman hören – 20,- Euro, ein Surfbrett im Röhricht abstellen – 25,- Euro. Was sich liest wie ein Auszug aus einem Kabarettprogramm ist tatsächlich dem „Verwarnungsgeldkatalog der bezirklichen Ordnungsämter für nichtverkehrsrechtliche sowie für verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten (fließender Verkehr auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen)“ entnommen.

Die Tabelle umfasst 31 Seiten … und reicht von Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz bis hin zu unerlaubtem Sprengstoffgebrauch. Gewaltig viel Arbeit, die die Ordnungshüter in den blauen Uniformen mit dem Bärchen am Ärmel da zu erledigen haben. Doch auch, wenn die bloße Vorstellung eines Beamten, der versucht einen Surfer im Schilf zu verfolgen, ein kleines Grinsen hervorrufen mag – das Bild entspricht nicht so ganz dem, was man tatsächlich im Kopf hat, wenn man ans Ordnungsamt denkt. Da sieht man vielmehr besagten Uniformträger gebeugt über eine Autoscheibe, den Kugelschreiber zückend und feinfein ein Knöllchen ausstellend. In manchen Bezirken – Prenzlauer Berg, zum Beispiel – hat man abends sogar mitunter das Gefühl, es seien mehr Ordnungshüter als sonstige Passanten am Gehweg unterwegs.

Um achtlos weggeworfene Bananenschalen oder zu laute Musik aus Handylautsprechern geht es dabei jedoch so gut wie nie. Das Geschäft (sic!) dreht sich allein um die Kontrolle der Parkraumbewirtschaftung.

Offizielle Zahlen dazu sind schwierig zu bekommen. Medienberichten zufolge hat aber beispielsweise alleine der Bezirk Mitte 2012 über 5 Millionen Euro aus Parksünder-Knöllchen eingenommen. Ja, klar, Parkgebühren nicht zahlen ist nicht schick … aber irgendwie bleibt  ein Gefühl von Abzocke. Denn schließlich muss ja auch irgendwer die Gehälter der Ordnungsamtsmitarbeiter bezahlen – und das ist dann letzten Endes wohl der Steuerzahler, sprich jeder Berliner und jede Berlinerin.

Man bedenke aber: Hat ein Selbstständiger einen umfassenden Auftrag, wird es ihm schwer fallen, Leistungen in Rechnung zu stellen, die er de facto nicht erbracht hat. Denn was nutzt es dem Kunden, wenn er etwa beim Maßtischler eine Küche bestellt, aber statt der zu erwartenden verschiedenartigen Schränke nur fünf Exemplare des gleichen Regals bekommt? In diesem Fall würde man wohl darauf pochen, dass der gute Handwerker auch die fehlenden Leistungen (sprich Schränke) nachbringt. Andernfalls: kein Geld. Womit wir wieder beim Ordnungsamt sind. Ein Blick auf zugemüllte Gehsteige, Hundekot oder Kampfhunde ohne Leine lässt da schon die Frage aufkommen: Hab‘ ich dafür (bzw.) dagegen nicht eigentlich bezahlt? Eigentlich irgendwie schon.

Aber zurück zur Berliner Realität. Die Stadt hat kein Geld. Die Bezirke auch nicht. Und Knöllchen an parkende Autos zu heften, ist schlicht die einfachste Art, wie das Ordnungsamt solches ranschaffen kann. 10 Euro ohne Widerrede (weil der Lenker ja meist nicht vor Ort ist) sind um ein Vielfaches leichter einzutreiben, als 20 Euro von einem renitenten Rentner mit Hund oder einem Jugendlichen mit Ghettoblaster. Man stelle sich vor, wohin wir kämen, wenn die Ordnungshüter Ordnung auch noch erklären müssten.

Abgesehen davon: Es geht hier nicht drum, einzelne Personen anzugreifen, die Bestandteil eines Systems sind. Vielmehr geht es darum, genau jenes an und für sich zu kritisieren. Denn, klar haben die Beamten oft kein leichtes Leben: Keiner mag sie und auch sie müssen ihren Lebensunterhalt (und den der Familie) bestreiten, indem sie ganz einfach „ihren Job machen“. Was de facto „ihr Job“ ist, bestimmen jedoch andere. Die müssen allerdings nie mit Falschparkern streiten. Beliebt sind sie zwar auch nicht unbedingt. Aber verdienen tun Politiker auf jeden Fall mehr als jeder Knöllchen-Sheriff.

Ein Kommentar von Lisa Steiner

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