Initiativen-Irrsinn?
Ein Kommentar von Lisa Steiner
„100 Prozent Tempelhof“, „100 Prozent Berlin“, Energiewende, Anti-Wowereit-Volksbegehren, Bürgerbegehren gegen die Einführung von Parkgebühren in Treptow, ein paar Initiativen zum Plänterwald und jetzt auch noch die Initiative gegen Abriss des Kiehlstegs. Bürgerinitiativen boomen derzeit in Berlin. Und angesichts so manchen Projekts – wie etwa des absurd anmutenden Kampfes um eine kleine Fußgängerbrücke oder eines Begehrens gegen eine neue Parkzone – ist man versucht, einfach nur den Kopf zu schütteln.
Dass Bürgerinitiativen „den großen Wurf“ schaffen und tatsächlich einen Volksentscheid erzwingen, gehört (leider?) zur seltenen Ausnahme. Das ganze Procedere – siehe „100 Prozent Tempelhof“ dauert dann meist auch gefühlt unendlich. Wenn die Bürger schließlich endlich an die Urnen gebeten werden, ist der „Kampf“ meist schon „alt“ – und es daher fraglich, wie viele Menschen noch(mal) zu motivieren sind, dafür aufs Amt zu schlappen. Für die Beteiligten (Initiatoren, Mitstreiter, Nachbarn) steht so oft jahrelanges, zermürbendes Bemühen vor dem Aus. Denn wer in Deutschland als Bürger für seine Rechte kämpft, tut das natürlich freiwillig, unbezahlt und oft neben einem Full-Time-Job.
Wenn es um Großprojekte wie das Flugfeld Tempelhof oder die Abwahl eines Pannen-Bürgermeisters geht, erschließt sich die Sinnhaftigkeit des Aktivismus für die Allgemeinheit relativ rasch.
Aber Initiativen wie beispielsweise die jener Anwohner in Treptow, die ihr Gewohnheitsrecht aufs gratis Parken verteidigen wollen, sind hingegen eher egoistischer als altruistischer Natur. Bezahlen tut zwar keiner gerne – schon gar nicht für etwas, das bis eben noch kostenlos war. Aber Parkzonen mit Gebühren machen in größerem Rahmen oft Sinn: Erstens haben Anwohner (die ja billig einen Aufkleber fürs ganze Jahr erwerben können) dann eher einen Parkplatz. Und zweitens soll auf lange Sicht der Autoverkehr eingedämmt werden. Was in Zeiten von Klimawandel und steigenden Benzinpreisen sowohl für die Welt als auch die eigene Geldtasche gut ist.
Auch der aussichtslose Kampf gegen den Abriss des Kiehlstegs ist ein Beispiel für kleinräumiges Denken: Ja, natürlich wäre es schöner, wenn der Steg erhalten bleibt. Und, ja, es ist auch überhaupt nicht in Ordnung, wenn die Stadt Aktivisten verarscht wie hier. (Man hatte den vorübergehenden Stillstand des Abrisses versprochen und dann bei Nacht und Nebel doch begonnen.) Doch die Faktenlage ist – glaubt man den offiziellen Zahlen – eindeutig: Der Steg ist baufällig. Seine Sanierung viel teurer als sein Abriss. Die nächste Brücke ist 60 Meter entfernt. Und Berlin ist bekanntlich völlig verschuldet. Demnach ist es aus Sicht der Steuerzahler – also uns allen – besser, wenn der Kiehlsteg abgerissen wird.
So weit so klar! Auch klar: Direkte Demokratie muss sein. So hirnrissig auch manche Initiative anmuten mag, sie zu verbieten wäre der erste Schritt zur Diktatur. Schließlich dürfen wir auch alle wählen. Und es gibt auch Parteien, die uns ähnlich sinnlos erscheinen wie so manche Bürgerinitiative. (Diese kriegen auch noch Parteiförderungen …)
Bleibt eigentlich nur eine Lösung: Wer sich über irrsinnige Aktivisten ärgert, muss sich wehren … Mit einer Initiative gegen die Initiative …
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