
Die Berliner Wirtschaft kommt im Herbst nicht zur Ruhe: Das Konjunkturklima trübt sich nach einem kurzen Aufschwung im Frühjahr wieder ein. Die Geschäfte verlieren an Schwung, die Aussichten verdüstern sich. Jedes zweite Unternehmen beurteilt die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als schwierig. Im Gastgewerbe, Baugewerbe und im Handel hat die Zahl der Unternehmen, die die aktuelle Lage als schlecht bewerten, zugenommen.
Überwiegend rechnen die Berliner Unternehmen mit einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Produzenten und Konsumenten leiden unter Inflation, steigende Zinsen bremsen Investitions- und Expansionspläne. Dies sind die Ergebnisse der gemeinsamen Konjunkturumfrage von IHK und Handwerkskammer Berlin im Herbst unter mehr als 670 repräsentativ ausgewählten Unternehmen.
Der Konjunkturklimaindex (geometrisches Mittel aus aktueller geschäftlicher Lage und Erwartungen) sinkt im Herbst auf 103 Punkte, nach 112 Zählern im Frühsommer. Damit liegt er nur knapp oberhalb der Expansionsschwelle von 100 Zählern. Das ist weit unterhalb des 125 Punkte zählenden Durchschnitts der vergangenen zehn Jahre. Selbst in der Corona-Krise lag der Index nur einmal – im Frühsommer 2020 – niedriger als aktuell.
Die aktuelle Lage bewertet rund die Hälfte der Unternehmen als immerhin noch befriedigend, blickt aber skeptisch auf die kommenden Monate. Entsprechend setzen viele Betriebe ihre Investitionsplanungen on-hold und sehen kaum Spielraum für Personalaufbau.
Weniger Beschäftigung führt scheinbar zu weniger Fachkräftemangel
Der Saldo zu den Beschäftigungsplänen fällt auf nur einen Punkt und signalisiert damit einen erheblichen Verlust der Arbeitsmarktdynamik, die wirtschaftliche Lage überlagert – zumindest aktuell – den sich drohenden Fachkräftemangel. Auch der Anteil investierender Unternehmen nimmt ab und die Investitionsvolumen entwickeln sich schwächer. Im Ergebnis fällt der entsprechende Saldo von 19 auf 16 Punkte und liegt damit um mehr als 20 Punkte unter dem Vor-Corona-Wert. Die Zahlen des vorliegenden Konjunkturberichtes zeigen, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr schwach geblieben ist und in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter an Schwung verlieren wird.
„Der Jahresendspurt gestaltet sich für die Betriebe zum kräftezehrenden Lauf ohne Rückenwind“, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin. „Der Baubereich – ehemals die Konjunkturlokomotive – wird aus den bekannten Gründen wie steigende Zinsen und Baukosten weiter ausgebremst. Gerade für den Neubaubereich ist die zügige Umsetzung des angekündigten Maßnahmenpakets der Bundesregierung zur Bau- und Immobilienbranche essentiell.“
Langfristige Zukunftsinvestitionen für klimagerechtes Bauen und Sanieren liefen andernfalls Gefahr, weiter zum Erliegen zu kommen. Folgeeffekt der genannten Risiken sei die restriktive Personalplanung der Wirtschaft. Absurderweise habe dadurch das Risiko eines Fachkräftemangels in der Wahrnehmung der Unternehmen scheinbar abgenommen, was jedoch lediglich darauf zurückzuführen sei, dass die Betriebe aufgrund eingetrübter Geschäftserwartungen ihre Personalplanung zurückfahren.
Das Jahr der enttäuschten Hoffnung für die Berliner Wirtschaft
„Es ist das Jahr der enttäuschten Hoffnung. Nachdem die Wirtschaft den vergangenen Winter mit den bekannten Energiesorgen vergleichsweise gut überstanden hatte, schien im laufenden Jahr sogar ein solides Wachstum möglich“, sagt Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin. „Stattdessen sank die wirtschaftliche Leistung im ersten Halbjahr um 0,1 Prozent. Damit sind die Berliner Unternehmen im bundesweiten Vergleich zwar besser durch diese Verkettung von Krisen gekommen, aber besser heißt eben nicht gut. Und die Zeichen mehren sich, dass die Konjunktur weiter abflaut. Angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen ist die Politik gut beraten, zusätzliche Belastungen für die Berliner Wirtschaft zu vermeiden und auf weitere Verunsicherungen zu verzichten. Eins muss allen klar sein: Schon jetzt lasten aktuelle Entscheidungen wie Ausbildungsumlage, Vergesellschaftungsrahmengesetz und auch das 29-Euro-Ticket als schwere Hypothek auf dem Wirtschaftsstandort.“
Mehr Infos unter www.hwk-berlin.de
Bild: 652234 via Pixabay
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