Die Digitalisierung macht Autos zu Datenzentren, die nahezu alles verarbeiten, was gerade geschieht. Die dabei gespeicherten Informationen betreffen zum Beispiel gefahrene Strecken, Standorte, Beleuchtungsdauer, Gurtstraffungen, Batteriespannung und Fehlerspeichereinträge. In einer Untersuchung hat der ADAC die von den Fahrzeugen erhobenen Informationen zusammengestellt und als Ergebnis davon resümiert: Moderne Autos sind immer mehr Computer auf Rädern.
Manche Daten müssen sogar von Gesetz wegen gespeichert werden: So kontrolliert der Gesetzgeber mit der Erfassung des Kraftstoffverbrauchs, ob ein Auto den Emissionsvorgaben genügt. Und neu zugelassene Autos müssen seit dem 6. Juli 2022 mit einem Unfall-Datenspeicher (UDS) ausgerüstet sein, von dem Informationen zur gefahrenen Geschwindigkeit, zu Einstellungen wie etwa Scheinwerfer, Blinker und Bremsleuchten sowie zur Beschleunigung oder der Ausrichtung des Fahrzeugs (z.B. Drehungen), registriert werden. Solche Informationen sollen der besseren Beurteilung von Unfällen in Streitfällen dienen. Und künftig dürften gespeicherte Daten beim automatisierten Fahren ebenfalls im Zweifel dokumentieren, ob das betreffende Fahrzeug von Mensch oder Maschine gesteuert wurde.
„Es ist davon auszugehen, dass zukünftige Fahrzeuge noch deutlich mehr Informationen erfassen und weitergeben werden, als es bisher der Fall ist“, erwarten Experten wie der ADAC-Datenspezialist Arnulf Thiemel. Dabei weist er zugleich darauf hin, wie umstritten nach wie vor ist, welche Regeln für den Umgang mit diesen Daten gelten sollen. Denn einerseits erheben Unternehmen und Organisationen aus der freien Wirtschaft Anspruch darauf, weil die Daten als Grundlage für neue und zukunftsweisende Geschäftsmodelle sowie Dienstleistungen benötigt werden. In diesem Zusammenhang macht schon länger die Formulierung von Daten als dem „neuen Gold“ die Runde.
Wie wertvoll solche Information sein können, machen Internet- und Technologiefirmen längst vor, indem sie etwa Daten über das Onlineverhalten von Menschen für zielgerichtete Werbung nutzen, verdeutlicht Thiemel. Gleichzeitig sind aber einige Angebote, die auf der Nutzung von Mobilitätsdaten basieren, auch mit erheblichen Vorteilen für diejenigen verbunden, die diese Daten eigentlich generieren: sprich die Verbraucher bzw. Autobesitzer. So etwa in Form von Kfz-Versicherungen mit Telematik-Tarif. Dabei werden die Autofahrer aufgrund ihrer Fahrdaten für gutes Fahrverhalten mit einem Bonus belohnt.
Solche Vorteile für die Urheber der Daten würden diese eher dazu animieren, ihre Daten Dritten zur Nutzung zu überlassen, wenn sie denn gefragt würden. Dies machte der erste Teil einer umfassenden Studie zum Thema „Big Data in der Mobilität“ im Auftrag des Goslar Instituts für verbrauchergerechtes Versichern e.V. deutlich, die von der HUK-COBURG gefördert wird. Dieses sogenannte „Grünbuch“ konzentriert sich auf die „Datenspuren der Verkehrsteilnehmer und Ansprüche der Stakeholder“. Die zweite Veröffentlichung von Ergebnissen dieser Studie bezieht sich nun schwerpunktmäßig auf die neuen Angebote und die Nutzenpotenziale auf Basis von Big Data in der Welt der Mobilität von morgen. Im Rahmen des aktuellen Goslar Diskurs am Donnerstag, den 26. Januar 2023 ab 19.00 Uhr in Goslar, werden Resultate dieses zweiten Analyseteils, des sogenannten „Weißbuchs“, und Folgerungen daraus von den Experten auf dem Podium vorgestellt und diskutiert.
Auch dieses „Weißbuch“ verdeutlicht, dass viele der weitergehenden Nutzungen von Mobilitätsdaten dazu dienen, das Leben sicherer, komfortabler und effizienter zu machen. Doch steht nach wie vor die Frage nach der sogenannten Datenhoheit ungelöst im Raum. Denn bislang haben nur die Automobilhersteller vollen Zugriff auf die Daten, wie der ADAC, stellvertretend für Dienstleister, Daten- und Verbraucherschützer, bemängelt. Dies behindere freien Wettbewerb, lautet deren einhellige Kritik. Deshalb plädiert etwa ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze für eine gesetzliche Regelung, die sicherstellen soll, „dass Fahrzeugbesitzende selbst über ihre Daten verfügen, die Freigabe an Dritte steuern und von der Vermarktung für datenbasierte Geschäftsmodelle profitieren“. Nur dann könnten Werkstätten, Mobilitätsdienstleister wie die Automobilclubs und Start-ups, Angebote zum Nutzen von Fahrzeugbesitzern entwickeln, argumentieren die Experten.
Diese Idee steckt auch hinter dem sogenannten „Data Act“ der EU-Kommission, dessen Entwurf, der voraussichtlich bis 2025 in Kraft treten soll, entsprechende Regeln beinhaltet. Diese sollen insbesondere gewährleisten, dass die Daten den Autobesitzern gehören und nur diese bestimmen können, mit wem diese Informationen geteilt werden dürfen. Zu diesem Themenkomplex hatten bereits die Verbraucherbefragungen für das „Grünbuch“ des Goslar Instituts gezeigt, dass bei den Verbrauchern grundsätzlich der Wunsch besteht, Mobilitätsdaten zu teilen – unter der Voraussetzung eigener Entscheidungsfreiheit über die Verwendung dieser Informationen. Für leichteren Zugang zu diesen Informationen könnte aus Sicht der an der Studie „Big Data in der Mobilität“ beteiligten Wissenschaftler nicht zuletzt eine „Incentivierung“ der Mobilitätsdaten beitragen, die den Verbrauchern zu der Möglichkeit verhilft, für die Weitergabe ihrer Gabe einen direkten Vorteil zu erhalten.
Damit Mobilitätsdaten ihr gesamtes Potenzial ausspielen können, müssen sie nicht nur sicher und fair zugänglich sein, sondern auch einen sinnvollen Austausch ermöglichen – zwischen Autos, anderen Verkehrsteilnehmenden, Herstellern, Zulieferfirmen und Dienstleistern. Darin sind sich alle Fachleute einig. Offen sind allerdings immer noch die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen. Zu ihrer Gestaltung dürften die Experten beim kommenden Goslar Diskurs am 26. Januar 2023 und die Ergebnisse des zweiten Teils derStudie „Big Data in der Mobilität“ voraussichtlich wieder interessante Inhalte, Fakten und Meinungen beisteuern können.
Bildnachweis: Dariusz Sankowski via Pixabay
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