Das am 23. Februar 2020 in Kraft getretene MietenWoG Bln wird nicht nur die Mieten, sondern auch die Ausstattungen der Mietwohnungen in Berlin deckeln und etwa ein Achtel der Vermieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Das zeigt eine Umfrage, deren Ergebnisse heute bei einer vom Beratungsunternehmen RUECKERCONSULT durchgeführten Pressekonferenz veröffentlicht wurden. An der von Engel & Völkers Commercial und der Skjerven Group beauftragten anonymisierten Befragung beteiligten sich 171 Berliner Vermieter, darunter 139 Privatpersonen, 16 Kapitalgesellschaften und drei kommunale Wohnungsunternehmen. Das Gros der Teilnehmer vermietet kleinere beziehungsweise mittlere Bestände zwischen 1 bis 49 (40%) und 50 bis 99 Wohnungen (23%). 13 Teilnehmer bieten mehr als 5.000 Wohnungen zur Miete an.
Nach den Maßgaben des Mietendeckelgesetzes werden 84 Prozent der befragten Vermieter ab November Mieten absenken müssen. Mehr als die Hälfte (57%) geht dabei von einem maximalen Korrekturbedarf von 30 Prozent für einzelne Wohnungen aus. 16 Prozent werden keine Mieten absenken müssen. Zehn Prozent der Vermieter müssen in einzelnen Wohnungen die Miete um bis zu 50 Prozent reduzieren. Die Mehrheit (61%) der Umfrageteilnehmer rechnet mit Mindereinnahmen zwischen maximal zehn und 20 Prozent. Bei 13 Prozent der Befragten werden sich Mieteinnahmen voraussichtlich nicht verändern. Ebenso viele erwarten, durch den Mietendeckel in die Verlustzone zu rutschen.
„Die Umfrage macht deutlich, dass vor allem kleine Vermieter durch den Mietendeckel wirtschaftlich unter Druck geraten. Auf Mieterseite profitieren in weiten Teilen die Bewohner überdurchschnittlich guter Lagen, die sich die Miete ohnehin leisten können – auch ungedeckelt“, so Rackham F. Schröder, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial Berlin. „Auf wirtschaftlich schwächere Mieter in durchschnittlichen bis einfachen Lagen haben die Mietabsenkungen jedoch keinen ausreichenden Effekt.“ Auf nötige Renovierungen und Sanierungen müssten jene Mieter dagegen künftig verzichten, wenn die Vermieter durch den Mietendeckel in Engpässe geraten“, so Schröder. „Auf beiden Seiten gäbe es mehr Verlierer als Gewinner, wenn das Gesetz langfristig Bestand hätte.“
Dem entspricht, dass fast 78 Prozent der Vermieter bei Modernisierung und Sanierung sparen wollen. Zwei Drittel der Befragten sehen Einsparpotenziale vor allem bei den Gemeinschaftsflächen. 77 Prozent erklären, demnächst auf Renovierungen bei Mieterwechsel verzichten zu wollen.
Kaum noch Renovierungen bei Mieterwechsel
„Bis dato war es wirtschaftlich vertretbar und im Sinne der langfristigen Entwicklung eines Quartierts sinnvoll, Wohnungen bei Neuvermietung auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen und, wenn erforderlich, das Badezimmer zu erneuern“, sagt Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group. „Dazu fehlt in den kommenden fünf Jahren der Anreiz. Und weil der Berliner Senat zugleich seine Neubauziele verfehlt, muss kein Eigentümer befürchten, auf einer abgenutzten Wohnung sitzenzubleiben.“
Sorgen bestehen allerdings hinsichtlich der Gebäudesubstanz. 82 Prozent der befragten Vermieter befürchten, dass ihre Immobilien an Wert verlieren werden. Mehr als die Hälfte (57%) plant, ihre Investitionen in Berliner Wohnungen zu reduzieren, ein Drittel erwägt einen Exit als Global- oder Einzelverkauf. „Es hieße aber die Bedeutung des Gesetzes zu überschätzen, würde man vermehrte Verkäufe allein auf den Mietendeckel zurückführen“, sagt Einar Skjerven. „Wer jetzt verkauft, hat meist seit mehr als zehn Jahren investiert und realisiert steuerfreie Erlöse. Zudem sind für die nähere Zukunft die Aussichten am Berliner Wohnungsmarkt etwas gedämpft.“
Nicolai Wendland, CIO 21st Real Estate, zieht eine erste Bilanz zu den Auswirkungen des Mietendeckel auf den Berliner Wohnungsmarkt: „Der Anteil an Wohnungen, die nicht zu einer Mietendeckel konformen Miete angeboten wurden, ist seit Veröffentlichung des Eckpunktepapiers im Juni 2019 leicht rückläufig, jedoch mit ca. 86 Prozent weiterhin sehr hoch. Die Entwicklung der Angebotsmieten von Wohnungen mit einem Baujahr vor 2014 stagnieren seit diesem Zeitpunkt, wohingegen die Mieten von Wohnungen mit Baujahr ab 2014 seither um knapp zwei Prozentpunkte gestiegen sind. Bei betroffenen Einfamilienhäusern können wir ab dem ersten Quartal 2020 einen minimalen Preisrückgang erkennen. Die Preisgestaltung von Eigentumswohnungen blieb bisher vergleichsweise unberührt vom Mietendeckel.“
Monatelanges juristisches Tauziehen erwartet
Wie von vielen Experten erwartet, liegt das MietenWoG Bln mittlerweile zur Prüfung beim Bundesverfassungsgericht sowie beim Berliner Verfassungsgerichtshof. Der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle rügt im Wesentlichen die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin sowie die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Eine ähnliche Stoßrichtung haben die vom Landgericht Berlin veranlasste konkrete Normenkontrolle sowie die kürzlich kollektiv erhobenen zwölf Verfassungsbeschwerden. Außerdem soll der Berliner Landesgerichtshof bewerten, ob das MietenWoG Bln gegen die Berliner Landesverfassung verstößt.
„Auch wenn das MietenWoG nach meiner Einschätzung formelle und materielle Schwächen aufweist, welche letztlich die Verfassungsgerichte zu bewerten haben, werden Berliner Vermieter eine nicht unerhebliche Zeitspanne mit der vollen Wirkung des Mietendeckelgesetzes in Berlin umgehen müssen. Denn Gesetze gelten zumindest faktisch so lange, bis ein Gericht sie für nichtig respektive für rechtswidrig erklärt hat oder sie außer Kraft treten“, erläutert Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner bei Bottermann Khorrami.
Berliner Mietendeckelgesetz sorgt für Diskrepanz mit Bundesrecht
Zu den strukturellen Unsicherheiten in der Anwendung des MietenWoG Bln führt Uwe Bottermann aus: „Mit dem MietenWoG ist eine Art rechtliche Schizophrenie in Berlin eingezogen. Denn die Anwendung des Mietendeckelgesetzes führt zu einer Parallelität von Mietrecht nach Bürgerlichem Gesetzbuch und Berliner Mietpreisrecht. So verfolgt das MietenWoG in Berlin das Ziel, Mieten der Höhe nach zu kappen, selbst wenn sie nach BGB wirksam vereinbart werden können. Diese für die meisten Anwender des MietenWoG schwer nachvollziehbare Situation führt dazu, dass Vermieter auch weiterhin Mieten vereinbaren können, die über den Tabellenwerten des MietenWoG liegen, und zwar auch dann, wenn sie sie derzeit nicht annehmen dürfen.“
Und weiter erklärt Bottermann: „Die zulässige vertragliche Vereinbarung und das, was Vermieter praktisch fordern können, sind in Berlin mit dem Mietendeckelgesetz also zwei Paar Schuhe geworden. Manche nennen das „Schattenmiete“ und suggerieren damit unzutreffend etwas Rechtswidriges. Zutreffend betrachtet, ist es die Anwendung der geltenden Rechtslage. Aus juristischer Sicht ergibt sich daraus zugegebenermaßen eine der größten Schwierigkeiten, weil Mieter nach Bürgerlichem Gesetzbuch etwas schuldig bleiben, was Vermieter nach MietenWoG nicht entgegennehmen dürfen. Da eine sachgerechte Lösung bis zur Entscheidung der Gerichte nicht in Sicht ist, sollten sowohl Mieter als auch Vermieter über den Umgang mit den Mietdifferenzen nachdenken.“
Zusammenfassend sagt Stefanie Frensch, Vorstandssprecherin der ZIA-Region Ost: „Zur Entlastung des Berliner Wohnungsmarktes ist der Mietendeckel nicht das geeignete Instrument. Der zügige Neubau von Wohnungen sowie die zielgerichtete Unterstützung derjenigen, die es dringend benötigen, muss das Gebot der Stunde sein.“
Bildnachweise: CC0 via pixabay.com / Grafik: Skjerven Group und Engel & Völkers Commercial
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