Seine Geschichte beginnt im Jahr 1911. Doch älter als nunmehr 110 Jahre wird das markante Kraftwerk an der Stadtautobahn A100 nicht. Vattenfall nimmt das Heizkraftwerk Wilmersdorf vom Netz und startet im Juni 2021 mit dem Rückbau der drei weithin sichtbaren Schornsteine und Kesselhäuser. Damit verschwindet ein „Wahrzeichen“ aus dem Berliner Stadtbild. Der Rückbau des Heizkraftwerkes stellt zugleich einen Meilenstein auf dem Weg zu Berlins Klimaneutralität dar.
Bei der Strom- und Wärmeversorgung der Hauptstadt spielte das Heizkraftwerk Wilmersdorf in den letzten Jahren eher eine Nebenrolle. Die Anlage wurde nur noch temporär – in Spitzenlastzeiten – betrieben oder wenn andere Kraftwerke zum Beispiel wegen Revisionen nicht am Netz waren. Nun macht der geschichtsträchtige Koloss Platz für nachfolgende Energieerzeugungs-Generationen. Bis Ende 2022 soll das Monument Berliner Energiegeschichte, mit seiner vielen Berlinerinnen und Berlinern bekannten Silhouette aus den drei orangenen Kesselhäusern mit ihren silberfarbenen Schornsteinen, verschwunden sein.
Wärmeversorgung bleibt gesichert
Derzeit sind noch zwei der drei vorhandenen Gasturbinen des HKW Wilmersdorf betriebsbereit. Ihre Stilllegung erfolgt zum 1. April 2021. Direkt im Anschluss starten die Rückbaumaßnahmen mit der Einrichtung der Baustelle. Ab der zweiten Juni-Hälfte wird ein „Kran-Riese“ aufgestellt, der die jeweils 102 Meter hohen Schornsteine und Kesselhäuser nacheinander von oben nach unten abträgt.
Im Jahr 2018 sind am Standort Wilmersdorf drei erdgasbasierte Heißwassererzeuger in Betrieb gegangen. Sie verfügen über eine thermische Leistung von insgesamt rund 120 Megawatt und können bei Bedarf benötigte Wärme schnell zur Verfügung stellen. Im Verbund mit den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen anderer Standorte dienen sie als Spitzenlastanlagen und sichern auch an besonders kalten Tagen eine zuverlässige Wärmeversorgung.
Das HKW Wilmersdorf verschwindet, doch der Energiestandort lebt weiter. Denn neben der Erzeugung hat das Gelände an der Forckenbeckstraße in Wilmersdorf schon immer auch eine wesentliche Rolle für die Verteilung von Fernwärme gespielt. Im Zuge der Berliner Wärmewende wird darüber hinaus an Plänen für die zukünftige Nutzung des Standortes gearbeitet, bei denen auch neue Anlagen für die nachhaltige Erzeugung von Stadtwärme betrachtet werden. Welche Technologie hier künftig zum Einsatz kommen wird, ist aber offen.
Für eine klimaneutrale Stadt
Das Land Berlin verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden und die Treibhausgasemissionen in der Stadt gegenüber 1990 um 95 Prozent zu reduzieren. Als aktiver Partner richtet Vattenfall seine Strategie darauf aus, eine fossilfreie Strom- und Wärmeversorgung innerhalb einer Generation zu ermöglichen. Dafür werden die Heizkraftwerke und Energieinfrastrukturen in der Stadt zukunftsfähig gemacht. Nach Braunkohleausstieg 2017 und der Inbetriebnahme von zwei neuen hocheffizienten Gas- und Dampfturbinenanlagen in Lichterfelde (2019) und Marzahn (2020) steht nun auf der nächsten Etappe bis 2030 der Ersatz der Steinkohle bei der Wärmeerzeugung im Fokus.
Hintergrund
Die Entwicklung des Kraftwerksstandortes begann im Jahre 1911. Die Bewag übernahm 1938 das von der „Elektricitätswerk Südwest AG“ erbaute Kraftwerk. Durch die Demontage der damaligen Hochdruckanlage im Jahr 1945 sank die Kraftwerksleistung auf 25 MW. Trotzdem spielte Wilmersdorf in den Nachkriegsjahren eine bedeutende Rolle bei der Sicherung der Stromversorgung Westberlins. Nach über 50 jährigem Einsatz ging das ursprüngliche Kraftwerk 1964 vom Netz. Mit dem Bau der heutigen Anlage wurde 1974 begonnen. Schnell stieg die thermische Leistung von HKW Wilmersdorf auf mehr als 300 Megawatt – ausreichend für die zuverlässige Versorgung von 50.000 Haushalten mit Fernwärme. In seinen nunmehr 45 Betriebsjahren wurden die drei Gasturbinen der Anlage insgesamt 11.830 mal gestartet (Stand 23.03.2021, 0:00 Uhr). Das verdeutlicht den Einsatz als Spitzenlastanlage. In insgesamt 97.723 Betriebsstunden wurde Strom und Wärme für die Berliner ausgekoppelt und dabei weit mehr als sechs Millionen Megawattstunden Strom geliefert.
Bildnachweis: Andreas Friese/Vattenfall
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