Entlang der Skalitzer Straße in Kreuzberg gibt es schon einen, Mitte folgt mit einem entlang dem Schöneberger Ufer zwischen Potsdamer Brücke und Flottwellstraße. Und ein weiterer ist auf der Müllerstraße von der Seestraße bis zum U-Bahnhof Wedding geplant… Die Rede ist von Pop up-Fahrradspuren, die einzelne Fahrbahnbereiche, die bisher von Autos genutzt wurden, temporär für Fahrradfahrer reserviert. Wie lange die mit Bodenmarkierungen und Baken abgegrenzten Spuren an Ort und Stelle bleiben, weiß man allerdings noch nicht. Die Idee der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit dem lustigen Namen stößt nicht überall auf Gegenliebe.
So ist der ADAC Berlin-Brandenburg alles andere als begeistert. Er kritisiert: „Im Schnellverfahren schafft Berlin derzeit provisorisch neue und breitere Radwege im Stadtgebiet und verteilt damit den Straßenraum neu.“ Der ADAC vermutet jedoch einseitige politische Motive. „Der Senat nutzt eine Notsituation aus, um Partikularinteressen zu verfolgen. Das ist alles andere als sachgerecht“, sagt Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC Berlin-Brandenburg e.V. und fügt hinzu: „Der temporäre Rückgang des Pkw- und übrigens auch des Radverkehrs, darf nicht dazu genutzt werden, dauerhafte Umverteilungen des Verkehrsraumes durchzusetzen. Denn das würde außerhalb der aktuellen Sondersituation kaum Aussicht auf öffentliche Akzeptanz haben“.
Insgesamt sechs dieser Radwege hat Friedrichshain-Kreuzberg seit Beginn der geltenden Kontakteinschränkungen bereits umgesetzt. Weitere Bezirke haben angekündigt, dem Beispiel zeitnah zu folgen. Doch wie temporär sind diese Umbauten, für die auch der Verlust von Fahrspuren oder Parkplätzen in Kauf genommen wird und erfüllen sie überhaupt ihren Zweck? Der ADAC Berlin-Brandenburg hat in einer kurzfristig angelegten Vor-Ort-Untersuchung an drei Wochentagen zwischen dem 17. und 21. April an den betroffenen Radwegen in der morgendlichen Hauptverkehrszeit zwischen 7 und 9 Uhr nur ein minimales Radverkehrsaufkommen und kaum Überholvorgänge gemessen. Im Durchschnitt seien sieben Mal mehr Pkw als Radler unterwegs gewesen.
Ein Plus an Sicherheit für Radfahrer konnte der ADAC nicht feststellen. Im Gegenteil habe die übereilte Umsetzung der Maßnahmen zum Teil sogar neue Gefahrensituationen geschaffen, insbesondere in Kreuzungsbereichen. Radfahrer müssen sich z.B. in der Gitschiner Straße vor abbiegenden Bussen in Acht nehmen. Die Umordnung von Parkplätzen in der Lichtenberger Straße erhöht die Gefahr von Dooring-Unfällen. Um die wenig verbleibenden Kfz-Fahrspuren nicht komplett zu blockieren, machten Lieferfahrzeuge auf dem Rad- oder Fußweg Halt.
ADAC erwartet vom Senat ein Gesamtkonzept für Fahrradstraßen
„Auch wenn der Pkw-Verkehr an den betroffenen Abschnitten aktuell noch fließt, bedeutet das nicht, dass dies auch nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen der Fall sein wird“, sagt Volker Krane. Vielmehr sei dem ADAC Berlin-Brandenburg zufolge davon auszugehen, dass der Kfz-Verkehr mit den ersten Lockerungen der Maßnahmen nach und nach wieder auf sein früheres Maß ansteigen wird und damit auch die Kapazitätsengpässe auf der Straße. „Wir erwarten deshalb ein klares Bekenntnis der Politik, dass diese Radwege zurückgebaut werden, sobald der Pkw-Verkehr wieder zunimmt“, so der Verkehrsvorstand.
Statt ein beispielloses Sonderereignis zum Maßstab für die künftige Verkehrsentwicklung zu machen, wünscht sich der ADAC Berlin-Brandenburg ein Gesamtkonzept des Senats. So solle der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur nicht über vielbefahrene Hauptverkehrsadern führen, sondern könne auch über die Schaffung von Fahrradstraßen in die Nebenstraßen verlagert werden. Darüber hinaus sollte dem Club zufolge die Förderung und Unterstützung des ÖPNV nun mehr denn je in den Blick genommen werden, damit die öffentlichen Verkehrsmittel nicht als Verlierer aus der Corona-Krise gehen.
Bildnachweis: ©Pressestelle des Bezirksamts Berlin-Mitte / ADAC Berlin-Brandenburg
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