Archäologische Funde gefährden Neubebauungspläne für die Fischerinsel

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Die Entscheidung zur künftigen Bebauung eines Grundstücks auf der Fischerinsel steht aus. Sie soll Anfang kommenden Jahres fallen, wenn die archäologischen Grabungen auf dem Grundstück des ehemaligen Fischmarktes auf der Fischerinsel abgeschlossen sind.

Nach den Vorstellungen des Eigentümers des Grundstücks, der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH (WBM), sollen auf dem exponierten Areal an der Mollstraße Ecke Fischerinselstraße ein 58 Meter hohes, 19-geschossiges Hochhaus und ein achtgeschossiger Wohnblock das künftige Stadtbild prägen. „Einem weiteren Hochhaus auf der Fischerinsel, so wie die WBM es anstrebt, stimmen wir nicht zu“, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Der Bezirk stellt sich somit hinter die Forderung der Anwohner, die eine derartige Bebauung des Areals ablehnen. „An dem städtebaulich exponierten Standort Fischerinsel sollen moderne, bezahlbare Mietwohnungen für alle Generationen entstehen, heißt es auf der Internetseite der WBM“. Es würden viele preiswerte Wohnungen nach den Maßgaben der Wohnungsbauförderungsbestimmungen errichtet werden. Darüber hinaus sei geplant, zwei integrierte Senioren-Wohngemeinschaften sowie im Erdgeschoss auf Nahversorgung ausgerichtete Gewerbeeinheiten zu integrieren. „Wir werden eine u-förmige Blockrandschließung entlang Fischerinsel und Mühlendamm errichten, die mit einem turmartigen 19-geschossigen Kopfbau zur Mühlendammbrücke hin abschließt“, heißt es weiter. Doch bevor mit den eigentlichen Bauarbeiten für den Wohnkomplex begonnen werden konnte, mussten zahlreiche Bäume gefällt werden. Ein Stück Grün in der immer enger werdenden Stadtbebauung in Mitte ist verschwunden. „Die Neukonzeptionierung von Stadtgrün und Erholungs- und Freizeiträumen im Außenbereich erhält ein besonderes Augenmerk“, heißt es weiter von Seiten der WBM. Doch genau darum streiten sich Anwohner und Bauherr. „Wir haben zwar zähneknirschend dem Kahlschlag der Bäume hinnehmen müssen, doch einen weiteres Wohnhochhaus mit 19 Geschossen stehen wir kritisch gegenüber“, sagt eine Anwohnerin.

Derweil dringen die Spezialisten der Archäologischen Baufirma in das Erdreich an der Fischerinsel vor. Hier befand sich einst die Altstadt von Cölln an der Spree. Stark zerstört im 2. Weltkrieg ist das Gebiet in den 1960er Jahren komplett modern überbaut worden.

Schicht für Schicht legen sie frei. Auf dem an der Mühlendammbrücke kommen alte Gemäuer aus dem 18. und 19. Jahrhundert zum Vorschein. Auch bereits im Mittelalter angelegte Brunnen sind zu erkennen sowie zahlreiche Scherben und Töpferware haben Jahrhunderte im Erdreich unentdeckt gelegen. „Fotografieren verboten“, heißt es von Seiten der WBM unter Berufung auf die Denkmalschutzbehörde. „Bis zu fünf Meter tief graben wir hier“, sagt der zuständige Bauleiter auf einem öffentlich stattfindenden Baustellenrundgang. An den verwendeten Baumaterialien lasse sich auch gut die zeitliche Abfolge der Bebauung in diesem Gebiet nachweisen. Anhand der verwendeten Ziegelsteine ist beispielsweise eine genaue Datierung der Gebäude möglich. Ziegelsteine in den unterschiedlichsten Formaten zeigen, wann was entstanden ist. Denn erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden beim Bau einheitlich genormte Ziegelsteine verwendet. Davor hatten die Bauherren unterschiedliche Maße, je nach Ziegelei, zum bauen verwendet.

„Es wird alles, Grundrisse, welche Baumaterialien verarbeitet wurden aber auch jeder einzelne Fundort einer historisch wertvollen Scherbe, genauestens vermessen und erfasst“, sagt der Fachmann. Und wenn all diese Arbeiten abgeschlossen sind, soll die Baugrube die jetzt noch voller Kellermauern, Gewölbebögen und Grundplatten ist, für den Neubau eines Wohn-und Geschäftshauses vorbereitet werden Eine Tiefgarage mit 90 Stellplätzen ist dort ebenso geplant wie rund 200 Wohnungen.

Doch schon einmal haben Grunstückseigentümer, Bauherren wie auch Stadtplaner unter Berufung auf archäologische Grabungen die Anwohner im Kiez getäuscht. Mit dem Abriss des architektonisch einzigartigen „Ahornblattes“ aus DDR Zeiten und dem Neubau eine Hotelwürfels und eines Büroklotzes ist eine Sichtachse hinein auf die Fischerinsel genommen worden. „Das was jetzt steht zeugt lediglich von Grundstücksmissbrauch um maximale Profite zu erzielen. Es hat nur wenig mit dem Anspruch einer lebenswerten, umweltverträglichen und nachhaltigen Stadtentwicklung zu tun“, sagt ein Anwohner.

Führungen auf dem Baugelände finden jeden 1. und 3. Freitag im Monat jeweils um 14 Uhr statt.

Text & Foto: Ettueg

 

 

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