Wachsen die Reparaturkosten in den Himmel? Autofahren wird immer teurer!

Manche Autofahrer haben inzwischen das Gefühl, man wolle ihnen eine gesamte Werkstatt verkaufen, wenn sie nach einer Reparatur an ihrem Fahrzeug die Rechnung dafür präsentiert bekommen. Auch die Kfz-Versicherer leiden unter enorm gestiegenen Reparaturkosten: Die Branche verbuchte nach Angaben ihres Dachverbandes GDV für das Geschäftsjahr 2023 allein wegen gestiegener Preise einen versicherungstechnischen Verlust von knapp 3 Milliarden Euro. „Jedem eingenommenen Euro standen Ausgaben von 1,10 Euro gegenüber“, erläuterte jüngst GDV-Präsident Norbert Rollinger. Für die Versicherungskunden bedeutet diese Entwicklung unterm Strich steigende Beiträge.

Grund genug für das GOSLAR INSTITUT Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern e.V., bei seiner alljährlichen Podiumsdiskussion, dem Goslar Diskurs, Experten zu den steigenden Aufwendungen fürs Autofahren zu befragen.

Nicht nur beim Branchen-Primus HUK-COBURG hat sich die sogenannte Schaden-Kosten-Quote 2023 weiter verschlechtert, wie das Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe, Dr. Jörg Rheinländer, jetzt beim diesjährigen Goslar Diskurs feststellte. Die gesamte Branche der Kfz-Versicherer muss sich mit den immer weiter wachsenden Aufwendungen für Autoreparaturen auseinandersetzen. Die ersten Unternehmen berichteten bereits über tiefrote Zahlen in dem Segment oder kündigten solche an. Verantwortlich dafür machte Dr. Rheinländer beim Goslar Diskurs die immer teurer werdenden Ersatzteile und immer weiter nach oben gehenden Stundensätze in den Werkstätten.

Wie sehr sich die Forderungen für Autoersatzteile in den vergangenen Jahren erhöht haben, macht eine aktuelle Datenauswertung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) deutlich. Danach setzten die Autohersteller allein zwischen August 2022 und August 2023 die Preise für Ersatzteile im Schnitt um weitere 9,7 Prozent hoch, wie HUK-COBURG-Vorstand Dr. Rheinländer berichtete. Und einige Ersatzteile wurden laut GDV sogar noch teurer. So kostet eine hintere Autotür inzwischen sogar über 13 Prozent mehr als im Vorjahr.

Preise für Ersatzteile verdoppeln sich nahezu

Und dieser Trend ist nicht neu. Nach Angaben des GDV erhöhten die Autohersteller ihre Ersatzteilpreise seit 2013 im Schnitt um mehr als 70 Prozent. Kofferraumklappen und hintere Seitenwände legten demnach im genannten Zeitraum um 93 Prozent, Rückleuchten sogar um 97 Prozent im Preis zu. Zum Vergleich: Die Inflationsrate gemessen am Verbraucherpreis-Index stieg seit Januar 2013 lediglich um knapp 28 Prozent und die Kfz-Versicherer erhöhten die Beiträge für eine Auto-Haftpflichtversicherung sogar nur um knapp über 7 Prozent seit 2013.

Vor dem Hintergrund hat selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Kfz-Versicherer bereits gemahnt, ihre Tarife deutlicher zu erhöhen als bisher, damit die Unternehmen nicht wegen der sogenannten Schadeninflation, gemeint sind die stärker als die allgemeine Inflation steigenden Reparaturkosten, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Denn auch der Aufsichtsbehörde des Bundes ist nicht entgangen, dass der Reparaturkostenindex in der Kfz-Versicherung immer weiter steigt. Als Konsequenz dieser Entwicklung müssen sich die Kfz-Versicherungskunden wohl auf weitere Preiserhöhungen einstellen.

Als Preistreiber in dem Zusammenhang identifizierte beim aktuellen Goslar Diskurs der Journalist und Publizist Guido Reinking, ehemaliger Chefredakteur der Fachzeitung Automobilwoche und Leiter der Online-Nachrichtenagenturen „Auto-Medienportal.net“ und „Car-Editors.net“, ganz eindeutig die Autohersteller. Sie profitieren von einem Quasi-Monopol, das ihnen die Designschutzrichtlinie 98/71/EG der EU einräumt. Danach ist das Design, also die Erscheinungsform bzw. das Aussehen eines Fahrzeugs, geschützt.

Teurer Designschutz

In Deutschland wird die EU-Richtlinie durch das Designgesetz in nationales Recht umgesetzt. Infolgedessen dürfen bei der Reparatur eines Unfalls, selbst eines scheinbar geringfügigen Blechschadens nach einem „Parkrempler“, nur teure Original-Ersatzteile verwendet werden, weil der Designschutz alle sichtbaren Karosserieteile wie Kotflügel, Motorhauben, Außenspiegel, Scheinwerfer, Leuchten oder Türen umfasst – also alle karosserieintegrierten Ersatzteile. Und die Preise dieser für eine Reparatur unerlässlichen Teile haben die Autohersteller kontinuierlich erhöht: unnötig verteuert und so die Reparaturkosten unvertretbar in die Höhe getrieben, wie Branchenkenner kritisieren.

Das wollte Prof. Dr. Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM), beim Goslar Diskurs nicht unrelativiert lassen. Er verwies darauf, dass moderne Kraftfahrzeuge wesentlich komplexer geworden seien und über immer mehr technische Assistenten verfügten, die etwa das Autofahren sicherer und komfortabler machten. Dies habe aber eben auch zur Folge, dass bei scheinbar geringfügigen Unfallschäden vielfach auch elektronische Bauteile, wie etwa Kameras und Sensoren, beschädigt würden. Auch daher gingen Ersatzteil- bzw. Reparaturkosten teilweise in die Höhe, erläuterte der Experte. Dem widersprach Dr. Rheinländer von der HUK-COBURG. Die Teuerung betreffe keineswegs nur moderne Fahrzeuge, sondern auch solche, die bereits vor vielen Jahren in den Markt gebracht worden seien.

Einigkeit herrschte unter den Experten allerdings dahingehend, dass die Autoindustrie nur ungern auf „angestammten Profit“ aus dem Reparatur- und Ersatzteilgeschäft verzichten will. Entsprechend machten die Hersteller auch gar keinen Hehl daraus, ihr Ersatzteil- und Werkstattgeschäft ausbauen zu wollen, merkte Branchenkenner Reinking an.

All dies läuft in letzter Konsequenz für die Autofahrer auf steigende Kosten hinaus. Autofahren werde immer teurer werden, prognostizierte Prof. Bratzel. Zu diesem Trend tragen demnach neben den immer höheren Reparaturkosten und dementsprechend steigenden Kfz-Versicherungsprämien ebenso weiter wachsende Umweltkosten, etwa das CO2 betreffend, sowie in der Folge hohe Treibstoffkosten bei. Und nicht zuletzt gehen die Preise für neue Automobile, speziell die elektrisch angetriebenen, weiter in die Höhe. Alles in Allem könne dies dazu führen, dass sich breite Bevölkerungsschichten individuelle Mobilität nicht mehr leisten könnten, warnte Prof. Bratzel. Selbst für Bürger, die aus unterschiedlichen Gründen auf ein Auto angewiesen sind, werde dieses langfristig möglicherweise nicht mehr bezahlbar, befürchteten die Experten beim diesjährigen Goslar Diskurs. Daraus könne ein nicht zu unterschätzendes gesamtgesellschaftliches Problem erwachsen, hieß es.

Big Data als Kostenbremse nutzen

Für eine gewisse Abhilfe soll hierbei jedoch die Nutzung jener Daten sorgen, die von modernen Fahrzeugen registriert werden, wie HUK-COBURG-Vorstand Dr. Rheinländer erklärte. Denn daraus werden neue, zusätzliche Services erwachsen, die dem einzelnen Autofahrer zum persönlichen Vorteil gereichen. Als ein Beispiel für solche Innovationen auf der Basis von Mobilitätsdaten verwies Dr. Rheinländer auf das Angebot von Telematik-Tarifen nach dem Prinzip „pay how you drive“ bei der HUK-COBURG.

Dabei kommen Versicherte, die umweltschonend und unfallvorbeugend fahren, in den Genuss günstigerer Prämien. Die dafür benötigten Informationen über den jeweiligen persönlichen Fahrstil werden über einen speziellen Sensor, der Fahrdaten etwa zu Geschwindigkeit, Beschleunigung sowie Brems- und Lenkverhalten aufzeichnet und via App „Mein Auto“ ermittelt und zu einem Gesamtfahrwert verdichtet, der die Höhe des Bonus bestimmt. Insofern stellten die Telematik-Policen auch einen spürbaren Beitrag zu nachhaltiger Mobilität dar, betonte Dr. Rheinländer, weil sie ökologisches Verhalten beim Autofahren ebenso förderten wie Unfällen und somit Kosten entgegenwirkten.

Insgesamt sahen alle Experten beim diesjährigen Goslar Diskurs den Mobilitätssektor allgemein wie die Autobranche mit ihren angrenzenden Sparten im Besonderen in einem „tiefgreifenden Transformationsprozess“ befindlich. Dieser betrifft demnach sowohl die Ökologisierung der Mobilität als auch deren zukünftige Konzeption. Als treibende Kraft bei dieser Entwicklung kann sich demnach die Nutzung der „Big Data in der Mobilität“ erweisen, die das GOSLAR INSTITUT bereits in zwei großen, von der HUK-COBURG geförderten Studien untersuchen ließ. Darin wurde deutlich, dass sich der Automarkt „von der Hardware zur Software“ entwickelt, dass datenbasierte Services immer relevanter werden. Und die sollen nicht nur mehr Komfort und Befriedigung individueller Bedürfnisse ermöglichen, sondern auch Sicherheit fördern und Kosten senken helfen.

Internationale Hersteller setzten bereits jetzt vermehrt auf Software, berichtete Dr. Rheinländer. Dieser Trend wird nach seiner Einschätzung, und darin war er sich mit den anderen Experten einig, mehr Zusammenarbeit der verschiedenen Player im Mobilitätsmarkt erfordern statt Konfrontation. Dies müsse die Branche jetzt möglichst schnell lernen, sagte der HUK-COBURG-Vorstand und betonte die Bereitschaft des Versicherers, „auf Augenhöhe“ mit den anderen Shareholdern im Mobilitätsmarkt zu kooperieren. Eine solche Zusammenarbeit sei absolut im Sinne der Verbraucher, hob Dr. Rheinländer dabei hervor. Deshalb werde sie auch die Bereitschaft der Kraftfahrer fördern, die von ihren Fahrzeugen generierten Daten über die Verwendung zum persönlichen Vorteil hinaus zur Verfügung zu stellen. So könnten Big Data auch dazu beitragen, dass individuelle Mobilität für mehr Menschen erschwinglich bleibt.

Weitere Informationen nicht nur zum Thema Designschutz und steigende Reparaturkosten finden sich auf dem Internetportal des GOSLAR INSTITUTS unter www.goslar-institut.de

Bild: Hannes Edinger via Pixabay

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