Sperrmüllproblem Berlin: Warum Trendbezirke am dreckigsten bleiben

Adelheid Kschidok(BSR) und David Hook von Tiptapp.
Adelheid Kschidok(BSR) und David Hook von Tiptapp.

Mit seinen hippen Bars und der pulsierenden Kultur schaffte es Neukölln 2021 verdient auf Platz 11 der coolsten Stadtteile weltweit. Doch der Bezirk verliert zunehmend an Charme: Das Müllproblem, das die Hauptstadt seit Jahren plagt, zeigt sich hier besonders deutlich. 2023 stammte fast ein Viertel der jährlich rund 40.000 Kubikmeter illegal entsorgten Sperrmülls aus Neukölln.

Auch in anderen Teilen Berlins wachsen die Müllberge weiter. Verschiedene Initiativen sollten Abhilfe schaffen: Die BSR führte Kieztage ein, an denen Bürger kostenlos Sperrmüll abgeben können, und das Bußgeld für Straftäter wurde auf bis zu 10.000 Euro erhöht. Sogar die Aufstellung von Überwachungskameras wurden im Abgeordnetenhaus diskutiert, um Müllsünder auf frischer Tat zu ertappen. Doch laut aktuellen Aussagen der BSR ist keine Besserung zu erkennen.

Am stärksten betroffen sind weiterhin die Bezirke Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte. Insgesamt kostet das wilde Müllaufkommen Berlin mehr als zehn Millionen Euro – und ist damit fast doppelt so teuer wie noch im Vorjahr. Tim Bjelkstam, CEO und Mitbegründer von Tiptapp, appelliert an die Berliner „Wenn sich schnellstmöglich eine Besserung zeigen soll, müssen die Bewohner das Problem in ihre eigenen Hände nehmen. Aber das muss dafür auch ohne viel Zeit- und Geldaufwand möglich gemacht werden.“

Bereits 2016 entwickelte der Unternehmer gemeinsam mit David Höök und Frederik Rylander eine App, die genau das ermöglichen soll. Bjelkstam erklärt: „Mit Tiptapp haben wir ein Hilfsnetzwerk von Menschen geschaffen, die bereit sind, anderen bei Transporten jeglicher Art zu helfen. Mit wenigen Klicks ermöglicht die Anwendung so eine schnelle und umweltgerechte Entsorgung. Allein im Jahr 2023 konnten so ganze 52 Tonnen CO2 durch den Fahrtenbündelungseffekt eingespart werden.“

Problembezirk Neukölln: Die meisten Müllsünder leben in anonymen Nachbarschaften

Während sich in Neukölln an der einen Ecke hippe Bars aneinanderreihen, türmen sich an anderen die Sperrmüllhaufen. Dieses Kontrastbild spiegelt ein berlinweites Problem wider, das im Bezirk besonders akut ist. Laut Aussagen der BSR sind der Schillerkiez rund um den Herrfurthplatz, die Reuterstraße, das Maybachufer und die Umgebung des S- und U-Bahnhofs Hermannstraße in Neukölln besonders betroffen.

Die trendigen Kieze drohen ihre Attraktivität zu verlieren. Doch auch die Bezirke Wedding, Gesundbrunnen und Kreuzberg sind im Sperrmüll-Ranking weit oben. „Typischerweise sind Stadtteile mit viel illegaler Müllentsorgung solche, in denen die Nachbarschaftsstrukturen eher anonym sind, also in denen es wenig ‚soziale Kontrolle‘ gibt“, weiß Adelheid Kschidock, Projektmanagerin der BSR.

Auch die verhängten Bußgelder sind ein kaum wirksames Mittel, denn viele Täter sind nachts unterwegs und fast nie auszumachen. Das Bezirksamt Berlin-Neukölln wurde angesichts des wachsenden Problems aktiv und hat beispielsweise die Zero-Waste Plattform „Null Müll in Neukölln“ ins Leben gerufen. Seit 2020 gibt es im Bezirk zweimal im Monat Tausch- und Sperrmüllmärkte, welche die Sperrmüllentsorgung erleichtern und die Kreislaufwirtschaft fördern sollen. „Solche Initiativen zeigen, dass Berliner durchaus gewillt sind, das Problem in die eigenen Hände zu nehmen“, stellt Bjelkstam fest.

Mehr als doppelt so teuer: So viel kosten die Müllsünder Berlin

Das Sperrmüllproblem beeinträchtigt nicht nur die Attraktivität Berlins, sondern erfordert zunehmend finanzielle Mittel. Im letzten Jahr investiere die BSR fast zehn Millionen Euro in die Beseitigung illegal entsorgten Sperrmülls – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 6,3 Millionen Euro im Jahr 2022. „Die Abholung von Sperrmüll am Straßenrand verursacht hohe Kosten, die besser in die Stadtentwicklung fließen könnten. Tiptapp soll hier einen Anreiz für Privatpersonen schaffen, indem sie sich etwas dazuverdienen können. Über die Plattform können die Helfer, also alle Privatpersonen mit Zugang zu einem Fahrzeug, die Müllentsorgung in ihrer Umgebung übernehmen und sich dafür bis zu 520 Euro im Monat dazuverdienen“, erläutert Bjelkstam.

Die ordnungsgemäße Entsorgung wird per GPS und mittels Fotobeweis vom Tiptapp-Team überwacht, während die Auftraggeber sich die Fahrt zu den Recyclinghöfen und damit viel Zeit sparen. Der Helfer wird erst bezahlt, nachdem die Recycling-Verifizierung genehmigt wurde. Seit 2022 kooperiert Tiptapp mit der BSR, um die Stadtreinigung beim Sperrmüll-Problem zu unterstützen. “Die Performance übertrifft unsere anfänglichen Erwartungen”, berichtet Kschidock zur Partnerschaft.

Entsorgung leicht gemacht: App vernetzt Berliner Haushalte

Warum gibt es in Berlin so viele Müllsünder? „Die Stadt ist weitläufig, und immer mehr Menschen verzichten auf ein eigenes Auto – ein positiver Trend, der jedoch den Transport sperriger Gegenstände erschwert. Für einige bleibt oft nur die nächtliche Entsorgung als Lösung“, erklärt Bjelkstam. Auch bei Umzügen passen große Objekte oft nicht in kleine Autos, was dazu führt, dass sie zurückgelassen werden. „Um diese Hürden zu überwinden, haben wir Tiptapp entwickelt. Die App vernetzt Berliner Haushalte, sodass sie selbstständig Fahrten zu den BSR-Recyclinghöfen organisieren können.

Mit wenigen Klicks erstellen Nutzer ein Inserat, laden ein Foto ihres Sperrmülls hoch und geben den gewünschten Zeitraum sowie ihr Budget an. Oft melden sich noch innerhalb von Sekunden erste Helfer, die bereit sind zu unterstützen“, erläutert Bjelkstam.

Neben der Sperrmüllentsorgung bietet Tiptapp auch Hilfe bei Lieferungen, Einkäufen und Umzügen an. Diese Lösung adressiert nicht nur das Problem der Sperrmüll-Logistik, sondern reduziert auch unnötige Einzelfahrten. Die wachsende Beliebtheit von TipTapp in Berlin zeigt sich in über 100.000 Downloads, davon allein 72.700 im Jahr 2023.

Bilder: tiptapp

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