Mit dem Bezirk Lichtenberg verbinden viele – die nicht dort wohnen – hauptsächlich Stichworte wie: Stasi-Hauptquartier, Neonazis, Plattenbau. Diese Schlagworte werden dem Stadtteil aber nicht (mehr) gerecht. Denn Lichtenberg wird in den nächsten Jahren ziemlich im Kommen sein, nicht nur als Wohnbezirk.
Während man den Mieten im Prenzlauer Berg, Wedding und vermehrt auch schon in Weißensee beim Explodieren zusehen kann, ist Wohnen in Lichtenberg noch leistbar. Genau das dürfte auch einer jener Gründe sein, wieso der bis vor wenigen Jahren von jungen Kreativen gemiedene Bezirk jetzt plötzlich begehrt ist.
Spaziert man etwa vom S-Bahnhof Lichtenberg die Weitlingstraße entlang, offenbart sich jetzt schon ein Stück Zukunft. Bunt durchmischt präsentieren sich das Publikum auf der Straße und auch die Läden. Neben den (in allen Bezirken auf großen, bahnhofsnahen Straßen üblichen) Döner-Läden gibt‘s hier auch Boutique-ähnliche Geschäfte wie etwa den „Modeladen Anziehung“, kleine Papier- und Geschenkshops und viele Gastronomiebetriebe mit Straßenverkauf. Es macht Spaß, hier zu schlendern.
Dabei war der Weitlingkiez knapp vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 noch zur „No-Go-Area“ erklärt worden, die ausländische Gäste meiden sollten. Grund: Die Weitlingstraße galt (und gilt auch oft noch) als eines der Epizentren einer Seuche namens Neonazis. Die Rechtsradikalen hatten dort in den 1990ern ein Haus, das als Zentrale ihrer Aktivitäten genutzt wurde. Auch wenn sie das nicht mehr haben, eilt der Weitlingstraße noch immer ein rechter Ruf voraus. Teils zu Unrecht, wie der Kiezspaziergang der Berliner Lokalnachrichten zeigt. Weder trafen wir Menschen mit gesinnungsüblicher Bekleidung, noch fühlten wir uns auf der Straße unwohl, noch hatten wir das Gefühl, dass Passanten mit Migrationshintergrund das täten. Aber das ist zum Teil natürlich auch eine Momentaufnahme. Ganz weg werden die Neonazis noch nicht sein, aus Lichtenberg. Aber sie werden zunehmend verdrängt. Und das ist gut so.
Stattdessen durchmischt sich der Bezirk. Auch abseits des Weitlingkiezes. Etwa dort, wo die Straßen echt germanische Namen tragen: rund um die ehemalige Stasi-Zentrale in der Normannenstraße. Läuft man die nahe gelegene Fanningerstraße hoch, fühlt man sich in den Prenzlauer Berg versetzt, als dieser am Beginn der Gentrifizierung stand. Vor einzelnen Wohnhäusern lehnen Fahrräder in bunten Farben, manche mit Kindertransport-Anhänger. An sonnigen Tagen sitzen Alt und Jung vor Restaurants und Cafés an der Straße. Und tatsächlich, zwei Mal um die Ecke, in der Hagenstraße finden wir sogar ein erstes Anzeichen für Nachtleben abseits der in Randlagen üblichen Späti-Automatencasino-Kombination.
Die Bar heißt „Morgen wird besser“. Die Betreiber bezeichnen das Ecklokal als Kiezkneipe. Das ist Absicht und eine klare Ansage. Keine schlechte, wie wir meinen. Sie sagt: Lichtenberg ist jung. Lichtenberg hat Zukunft. Wir glauben an unseren Kiez. Wir leben gerne hier. Und: Wir freuen uns auf all jene, die bald hierherkommen. Weil Lichtenberg eben mehr ist, als seine oft unrühmliche Vergangenheit von Stasi bis Nazis.
Text: L.Steiner/ Fotos: © S.Gütte
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