Litfaßsäulen finden sich auf Gehwegen überall in der Welt. In keiner Stadt aber gibt es mehr als in Berlin. Bedenkt man die Geschichte des Werbezylinders, ist das nicht verwunderlich: Immerhin wurde der Plakatträger explizit für die Hauptstadt erfunden.
Eine Säule schreibt Geschichte
164 Jahre ist es her, dass der „Werbekönig“ Ernst Theodor Amandus Litfaß die ersten Annonciersäulen erbauen ließ. Ziel war es, die Flut an Reklame-Zetteln in der Hauptstadt einzudämmen. Der Erfolg hält bis heute an: Allein in Berlin gibt es rund 3.000 Stück. Sie prägen das Stadtbild und gelten als Zeitzeugen für politische und popkulturelle Ereignisse. In ihrer Anfangszeit wurden auf ihnen wichtige Nachrichten publiziert, in Kriegszeiten vorrangig die ersten Kriegsdepeschen. Im krassen Gegensatz dazu steht eine vielgeteilte Kindheitserinnerung: Das originale, quietschgelbe Buchcover von Erich Kästners „Emil und die Detektive“, auf dem sich die Kinder hinter einer Berliner Litfaßsäule verstecken.
Historische Säulen vielfach entfernt
Seit Anfang des Jahres verschwinden historische Litfaßsäulen von den Straßen Berlins. Nun sollen die Abbauten beendet sein. Hintergrund war übrigens nicht etwa eine geplante Reduzierung von Außenwerbung in der Hauptstadt. Tatsächlich boomt Out-of-Home Marketing wie schon lange nicht mehr: Druckdienstleister wie reproplan Berlin berichten von einer guten Auftragslage für alle Arten von Werbedruck und Werbetechnik.
Die teils mit Asbest belasteten Säulen werden lediglich ausgetauscht. Die Initiative ist Vertragsbedingung im Zuge der Neuausschreibung für Außenwerbung. Rund 1.500 der 2.500 Litfaßsäulen wurden darum ersetzt. 50 der historischen Säulen wurden verschont – dem Denkmalschutz zuliebe.
Die Berliner hängen an ihren Litfaßsäulen
Ganz ohne Kampf nahmen die Berliner in typischer Hauptstadt-manier den Abriss übrigens nicht hin: Aufrufe wie „Rettet die Litfaßsäule“ und „Diese Säule bleibt“ ließen sich auf den zum Abriss vorgesehenen Werbeträgern finden. Überraschend viel Nostalgie in der sich ewig wandelnden Hauptstadt. Die bunten Werbebilder gehören eben doch zum Stadtbild und der Stadtgeschichte.
Außenwerbung ist im Kommen
Heute ist das Programm der Litfaßsäulen gut gemischt: Kleinere Bands und Veranstaltungen werden dort genauso beworben wie die Dienstleistungen großer Technologie-Konzerne wie Google und Apple. Allgemein geht es der Branche gut: Die Umsätze steigen trotz der wachsenden Konkurrenz durch digitales Marketing. Die Gründe für die stabilen Bilanzen von Außenwerbung sind vielfältig. Beispielsweise sind die Menschen tendenziell mobiler und damit auch mehr draußen unterwegs als noch vor einigen Jahren. Das ist auch dem Smartphone zu verdanken: Die Menschen sind weniger abhängig vom Computer und Fernseher Zuhause. Und einen Adblocker gibt es für Litfaßsäulen auch nicht.
Litfaßsäulen verändern sich
Die werbenden Firmen freuen sich über die Erneuerung der Werbeträger. Immerhin hat sich die Litfaßsäule seit der Erfindung durch ihren Namensgeber weiterentwickelt: Viele sind solarbetrieben und leuchten auch nachts, eingebaute Rotationen geben einem statischen Beobachter einen Blick auf jedes Plakat. Auch Litfaßsäulen mit Digitalanzeigen verbreiten sich langsam. Ganz ersetzen werden die öffentlichen Werbefilmchen statische Anzeigen wahrscheinlich nicht: Um Verkehrsteilnehmer nicht abzulenken, dürfen viele Flächen nicht mit Bewegtbildern beworben werden. Ohnehin haben die flimmernden Werbespots wohl kaum denselben Berliner Charme haben wie das gute alte, angeleimte Bandplakat.
Bildnachweis: CC0 via pixabay.com
Dieser Inhalt ist nur für registrierte Nutzer sichtbar. Wenn Sie sich bereits registriert haben, melden Sie sich bitte an. Neue Nutzer können sich weiter unten registrieren.