Der Wolf breitet sich von Polen kommend wieder in deutschen Wäldern aus, vorwiegend in Nordostdeutschland. Er bereitet nicht nur Nutztierhaltern Sorgen, sondern auch immer mehr Menschen, die in dünn besiedelten Gebieten leben und Angst vor Übergriffen auf Menschen haben. Dr. Gabriele Schare-Ruf ist Gesundheitspolitikerin der FDP Brandenburg und lebt im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, nahe der Ruppiner Heide, in der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Wolfsrudel angesiedelt hat. Als Fachärztin für Allgemeinmedizin und Tierfreundin, die längere Zeit in Kanada gelebt hat, wo es viele wild lebende Tiere, neben Wölfen auch Bären und Pumas gibt, hat sie eine differenzierte Haltung zur Wolfs-Problematik.
Frau Dr. Schare-Ruf, während sich mancher Tierfreund über die Wiederansiedelung des Wolfs freut, würden Landwirte ihn lieber los werden. Wie stehen Sie dazu?
Dr. Schare-Ruf: Wir dürfen das Thema nicht mit einer sozialromantischen Vorstellung vom Wolf verklären, sondern müssen pragmatisch herangehen. Es gilt, eine Obergrenze der Wolfspopulation zu definieren, mit der sowohl Wolfsschützer als auch Wolfsgegner leben können.
Was spricht dagegen, dass man den Wolf in dünn besiedelten Gegenden wie der Kyritz-Ruppiner Heide leben lässt?
Dr. Schare-Ruf: Dagegen spricht, dass der Wolf sich zu stark ausbreitet, wenn die Population unkontrolliert wächst. Die Jungtiere suchen sich spätestens ab dem dritten Lebensjahr eigene Reviere und werden sich nicht an die Grenze halten, die der Mensch festlegt. Der Wolf kann nun einmal die Schilder nicht lesen, die der Mensch aufstellt. Da der Wolf keine natürlichen Feinde hat, wird er sich weiterhin vermehren und zwangsläufig in Kulturlandschaften ausweichen müssen. Wir sind nun mal nicht so ein riesiges Land mit einem unbegrenzten Platzangebot wie Kanada oder Finnland. Es ist zudem zu befürchten, dass die Wölfe die Scheu vor dem Mensch zunehmend verlieren und dadurch den menschlichen Wohnbereichen zu nahe kommen, was in seltenen Fällen zu Konflikten führen kann.
Wie sieht Ihre Lösung aus?
Dr. Schare-Ruf: Die Einführung eines Jagdrechts mit ganzjähriger Schonzeit. Diese Schonzeit wird dann ausgesetzt, wenn die von Experten definierte Obergrenze überschritten wird, damit die Population wieder zurecht gestutzt werden kann.
Heißt das konkret: bejagen?
Dr. Schare-Ruf: Ja allerdings, denn anders geht es nicht. Mit guten Worten wird sich der Wolf nicht überzeugen lassen. Das Jagdrecht gilt übrigens jetzt schon bei so genannten Problemwölfen, die in Kulturlandschaften wildern und bei Nutztieren großen Schaden anrichten.
Können sich die Landwirte auf so eine Kompromiss einlassen?
Dr. Schare-Ruf: Wenn die Einhaltung einer verträglichen Obergrenze stringent umgesetzt wird und Entschädigungen für dennoch entstandene Schäden und zusätzliche Schutzmaßnahmen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden, dann denke ich schon.
Können wir in der Wolfs-Problematik von anderen Ländern etwas lernen, die bereits mehr Erfahrung mit dem Wolf oder anderen wilden Tieren haben?
Dr. Schare-Ruf: Ein Beispiel sind die skandinavischen Länder, die eine Obergrenze jetzt schon definiert haben und den Wolf bei Überschreitung auch konsequent bejagen. Dort schreckt man auch nicht aus voraus eilendem Gehorsam vor Brüsseler Vorgaben zurück. Laut denen steht der Wolf nämlich immer noch unter strengem Artenschutz. Aber das ist nicht mehr zeitgemäß, wir müssen ein neues Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Wildtieres Wolf und dem Schutz unserer Kulturlandschaft einschließlich der darin gehaltenen Nutztiere finden.
Was kann man tun, um die Debatte zu versachlichen?
Dr. Schare-Ruf: Ich würde es begrüßen, wenn im Schulunterricht sachlich und unideologisch über das faszinierende Wildtier Wolf und sein Sozialverhalten informiert würde, optimalerweise unter Einbeziehung eines Wolfsexperten. Denn eins ist klar: Der Wolf ist wieder heimisch in unserem Land, und wir müssen ein möglichst problemfreies Miteinander regeln, das dieser Situation gerecht wird. Dazu braucht es aber auch den Mut, beizeiten und konsequent zu handeln und nicht abzuwarten, bis die Probleme überhand nehmen und die Stimmung kippt.
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