Der irrwitzige Zick-Zack-Kurs der Politik – oder: Wer sich mit Investoren einlässt, muss Kapitalismus büffeln
Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Der Senat will aus dem SEZ ein neues Wohnviertel machen – und entzog deshalb kurzerhand dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Planungshoheit.
Badespaß wie einst dürfte es also nicht mehr geben. Rund 600 Wohnungen sollen stattdessen laut Medienberichten auf dem Gelände an der Landsberger Allee entstehen, sowie eine Kita und neue Sport- und Freizeitangebote. In Zeiten knappen Wohnraums erscheint dieser Schachzug von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zwar verständlich. Aber ein Blick auf die jüngere Geschichte des SEZ wirft ein paar Fragen auf: Warum erst jetzt? Warum gegen den Willen des Bezirks? Und: Wieso hat man das Grundstück in Bestlage 2003 überhaupt verscherbelt?
Fragen, die sich rein faktisch nicht ganz eindeutig beantworten lassen. Aber schon die Befassung mit möglichen Antworten lässt auf teils dilettantisches Handeln der Verantwortlichen schließen.
Denn selbst vor 13 Jahren, als der Senat das SEZ für nur einen (!!!) symbolischen Euro an einen Leipziger Investor verkaufte, muss klar gewesen sein: das ist weit unter Wert. Außer: Man verpflichtet den Investor so zu investieren, wie man es im Sinne der Berliner Bevölkerung für richtig hält. Was folgte, zeigt, dass dem nicht so war. Denn der Investor Rainer Löhnitz legte mehrmals Pläne vor, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg stets ablehnte. Von einem Wohnmobil-Stellplatz im Garten, über Stadtvillen bis zuletzt zum Vorschlag, das SEZ als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, war alles dabei. Außer: Das Freizeitzentrum mittels teuerer Sanierung wieder zu einer Vorzeige-Badeeinrichtung zu machen, wie es zu DDR-Zeiten eine war.
Anders als öffentliche Besitzer haben Investoren naturgemäß im Sinn, mit von ihnen erworbenen Immobilien Rendite zu machen. Ob man das an der Landsberger Allee mit einem neuen Spaßbad könnte, ist fraglich. Einerseits ist die Schwimmhalle am Velodrom nur wenige Minuten entfernt. Andererseits zeigt ein Blick auf die stadteigenen Berliner Bäderbetriebe, dass es schon MIT Finanzspritzen vom Senat schwierig ist, Schwimmbäder in Berlin kostendeckend zu betreiben. Klar, Löhnitz hätte das SEZ renovieren können. Und dann damit vortrefflich Miese machen. Denn: Wie viele von uns hätten denn die – unsubventioniert sicher astronomischen – Eintrittspreise bezahlt?
Was bleibt, ist die Gewissheit, dass das SEZ Geschichte ist. Und: Dass Senat und Bezirk gleichermaßen nicht gut dastehen. Ersterer hat, gleichermaßen kurzsichtig und vermutlich auch gutgläubig ein Gelände verscherbelt, für das er nunmehr Millionen einstreifen könnte. Und der Bezirk? Hätte irgendwann aufhören müssen, so zu tun, als ob man den Abriss auf lange Sicht verhindern und das SEZ erhalten kann.
Bleibt zu hoffen, dass Geisel aus den Fehlern im Umgang mit dem SEZ gelernt hat. Möge er sich mit dem Investor an einen Tisch setzen und gut sowie rechtskräftig aushandeln, dass der neue Kiez tatsächlich „sozial verträglich“ gestaltet wird – also mit einer Fix-Quote an Sozialwohnungen und leistbarem Wohnraum auch für Studenten.
(Artikelfoto: © Sven Gütte)
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