Die Deutschen haben während des Corona-Lockdowns das Zufußgehen wiederentdeckt. Sie legten fast jeden dritten Weg zu Fuß zurück. Das beliebteste Fortbewegungsmittel blieb jedoch das Auto. Mit dem Hochfahren der Aktivitäten könnte der Pkw sogar stärker genutzt werden als vor der Pandemie. In einer Umfrage gab rund ein Drittel der Befragten an, aus Angst vor dem Virus statt Busse und Bahnen in der nächsten Zeit lieber das Auto zu nehmen. Ein Forscherteam unter Leitung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) hatte von Mitte März bis Mitte Mai 2020 rund 1.000 Menschen repräsentativ zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt.
Während des Lockdowns wurden die Wege der Menschen insgesamt weniger und kürzer: Waren zuvor rund 85 Prozent der Menschen über 16 Jahre täglich unterwegs, fiel diese Zahl während des Stillstands zwischenzeitlich auf unter 60. Noch drastischer gingen Anfang April die dabei zurückgelegten Entfernungen zurück: von knapp 40 Kilometer auf weniger als 10 Kilometer.
Bei der Wahl der Verkehrsmittel holte Zufußgehen in einem beachtlichen Ausmaß auf (30 Prozent aller Wege statt 19 Prozent in einem normalen Mai). Das Auto dagegen verlor: Wurden mit dem Pkw vor der Pandemie 59 Prozent aller Wege zurückgelegt, waren es während des Shutdowns etwa 45 Prozent. Dennoch bleibt das Auto auch in Zeiten der Corona-Pandemie das beliebteste Verkehrsmittel der Deutschen.
Anteil der Fahrradfahrer bleibt relativ stabil
Der deutschlandweite Anteil des Fahrrads blieb im Monatsschnitt für den Mai mit 10 gegenüber 12 Prozent fast stabil. Über den Tagesverlauf zeigten sich hier Unterschiede. Morgens, vormittags und abends waren die Radwege leerer als sonst, in den Nachmittagsstunden wurde dagegen mehr geradelt. Der öffentliche Verkehr büßte im untersuchten Zeitraum deutlich ein. Sein Anteil fiel von 10 auf 6 Prozent.
„Die Ergebnisse zeigen, wie fragil die in den letzten Jahren begonnene Verkehrswende im Sinne einer Reduktion des Autoverkehrs noch immer ist und wie groß die Kraft der über Jahre eingeübten Routinen“, sagt Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am WZB. Die Pandemie mache die Verkehrsprobleme wie durch eine Lupe sichtbar: Busse und Bahnen blieben in der Nutzung kompliziert und seien vielfach nicht wirklich geliebt, das Fahrrad sei immer noch nicht massenverkehrstauglich und das Auto weiterhin die bequemste aller Alternativen.
In den Großstädten dagegen scheinen sich die Alternativen zum Auto bereits zu etablieren. „Die Pandemie könnte in den Städten die Verkehrswende weiter voranbringen, wenn der Radverkehr mehr Unterstützung erfährt“, erklärt WZB-Forscher Weert Canzler. So registrierten die Zählstellen der Großstädte zum Beispiel in Berlin Ende Mai schon wieder so viele Radfahrer*innen wie im Vorjahr.
Die Corona-Krise zeige aber auch, dass viel mehr möglich sei als gedacht, betonen die WZB-Forscher. Ein Beispiel dafür sind temporäre Infrastrukturen wie die Pop-up-Radwege, die von einem Tag auf den anderen entstanden sind und genug Platz zum Radeln unter Wahrung der Abstandsregeln bieten. Am Stadtrand und in ländlichen Gebieten bleibe die Autonutzung dagegen aller Voraussicht nach stabil.
Die Umfrage bildet den Auftakt von MOBICOR, ein vom WZB geleitetes Projekt in Zusammenarbeit mit infas, MOTIONTAG und Nuts One, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ziel ist es, Menschen in den kommenden drei Jahren wiederholt zu ihrem Verkehrsverhalten zu befragen. Zusätzlich werden die Mobilitätsmuster ausgewählter Personen mithilfe digitaler Erhebungstechniken per App erfasst.
Bildnachweis: CC0 via pixabay.com
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