Creditreform: Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in Europa

Inflation, Energiemangel und weitere gesamtwirtschaftliche Probleme haben die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Europa deutlich ansteigen lassen. Im Jahr 2022 wurden in Westeuropa (EU-14, Großbritannien, Schweiz und Norwegen) 139.973 Firmeninsolvenzen registriert. Das war ein Plus von 24,2 Prozent (2021: 112.686 Fälle). In Osteuropa nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 53,5 Prozent zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung.

Demnach hatten die europäischen Unternehmen im vergangenen Jahr zahlreiche Belastungen zu schultern. Dazu zählte der massive Preisanstieg beispielsweise bei Energie und Rohstoffen sowie auch die deutlich höheren Finanzierungskosten aufgrund der Zinswende. Im Jahresverlauf 2022 schwächte sich auch die Konjunktur spürbar ab.

„Das Ende der Corona Pandemie war der Beginn eines kurzen Wirtschaftsaufschwungs in Europa, bevor er durch den Krieg in der Ukraine wieder abgewürgt wurde. Die folgende Energiekrise traf die Wirtschaft praktisch unvorbereitet und mit voller Wucht. Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten“, fasst Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, die Entwicklung des Jahres 2022 zusammen.

„Der Anstieg der Insolvenzzahlen in Europa im Jahr 2022 folgte auf zwei Jahre mit extrem niedrigen Zahlen. Somit lässt sich die Insolvenzentwicklung auch als Normalisierung und notwendige Entwicklung bezeichnen. Unter den besonderen Bedingungen der Pandemie-Zeit wuchs die Gefahr von Zombieunternehmen“, sagt Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer bei Creditreform Österreich. In den steigenden Insolvenzzahlen der letzten zwölf Monate spiegelten sich zum Teil auch Nachholeffekte. Dennoch wurde das Vor-Corona-Niveau bei den Unternehmensinsolvenzen in Westeuropa noch nicht wieder erreicht.

In Westeuropa stiegen die Insolvenzzahlen in der Mehrzahl der betrachteten Länder. Einen deutlichen Anstieg verzeichneten Österreich (plus 59,7 Prozent), gefolgt von Großbritannien (plus 55,9 Prozent), Frankreich (plus 50,00 Prozent) und Belgien (plus 41,7 Prozent). Auch in der Schweiz, in Irland, den Niederlanden, in Spanien, Norwegen, Finnland, Schweden und Deutschland nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu. Ein Rückgang der Fallzahlen wird aus Dänemark, Luxemburg, Portugal, Italien und Griechenland gemeldet.

„Die Trendwende bei den Insolvenzzahlen ist eingeläutet. Dabei ist das Ende der Fahnenstange wohl noch nicht erreicht. Der Druck bleibt auf dem Kessel, so dass auch in den kommenden Monaten mit steigenden Zahlen zu rechnen sein wird“, betont Hantzsch.

Deutlich mehr Pleiten im Handel

In allen Hauptwirtschaftsbereichen nahmen die Insolvenzzahlen zu. Einen deutlichen Anstieg verzeichnete dabei der Handel (inkl. Gastgewerbe) mit einem Plus von 34,5 Prozent, gefolgt vom Baugewerbe mit plus 24,7 Prozent. Um knapp 20 Prozent erhöhten sich die Fallzahlen im Dienstleistungssektor und um 13,1 Prozent im Verarbeitenden Gewerbe.

„Ursächlich für den spürbaren Anstieg der Insolvenzen vor allem im Handel dürften die Folgen der schweren Corona-Zeit sein. Zudem setzt die Konsumzurückhaltung infolge der Rekordinflation diesem Wirtschaftssektor besonders zu“, erläutert Insolvenzexperte Weinhofer. Die Energiekrise habe aber alle Wirtschaftsbereiche erfasst und 2022 zu der Dynamisierung des Insolvenzgeschehens geführt.

Insolvenzwelle in Osteuropa

In Osteuropa setzte sich der Anstieg der Insolvenzzahlen fort. Sieben der untersuchten zwölf Länder verzeichneten 2022 mehr Fälle. Besonders deutlich war der Anstieg in Ungarn, Bulgarien und Litauen. Insgesamt wurden in Osteuropa 60.010 Unternehmensinsolvenzen registriert. Der Vorjahresstand (2021: 39.095 Fälle) wurde deutlich übertroffen. Auch in der Türkei stiegen die Insolvenzzahlen deutlich auf 24.303 Fälle an (plus 41,4 Prozent).

Bilanzkennzahlen: Corona-Delle überwunden?

„Die Bilanzkennzahlen zeigen eine leichte wirtschaftliche Erholung der Unternehmen in Westeuropa nach der Verschlechterung im ersten Corona-Jahr“, erläutert Hantz- sch. Deutlich weniger Unternehmen würden eine nega- tive Gewinnmarge aufweisen. So verzeichneten noch 21,3 Prozent der Unternehmen im Jahr 2021 ein negatives EBIT (Vorjahr: 26,7 Prozent). Ein Fünftel der Unternehmen (19,6 Prozent) erzielte eine sehr hohe Gewinnmarge von mehr als 25 Prozent. Auch die Eigenkapitalquoten haben sich etwas erholt. Der Anteil der Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent stieg um einen Prozentpunkt auf 47,2 Prozent an. Der Anteil der Unternehmen mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote verringerte sich hingegen auf 22,0 Prozent.

„Trotz der wieder besseren Ergebnisse spiegeln die Unternehmensbilanzen noch die negativen Auswirkungen der Corona-Zeit. Die schwache Unternehmensstabilität ist Angriffspunkt für die nächste Krise“, so Hantzsch weiter. Zurückgehende Forderungslaufzeiten würden Lieferanten und Leistungserbringer wieder schneller Liquidität verschaffen.

Titelbild: Gerd Altmann via Pixabay / Grafiken: Creditreform

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